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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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die Augen zusammen. Im nächsten Moment stand ich mitten im Schein der Lampe. Lächelnd erhob sie sich und winkte mich zu sich. Ich nickte und ging die Auffahrt entlang und den Gartenweg hinauf zu ihrer Veranda. Die Tür war bereits offen und rahmte sie ein, als sie gerade in einem Küchenschrank kramte.
    »Hallo, Raker«, begrüßte sie mich, hob den Kopf und holte eine topmoderne Kaffeemühle heraus. Auf der Arbeitsfläche stand ein Silberfolienbeutel mit Kaffeebohnen.
    »Elizabeth. Wie geht es dir?«
    Sie schüttelte den Kopf, denn sie konnte es nicht ausstehen, wenn man sie Elizabeth nannte.
    »Prima. Und dir?«
    »Gut. Warst du heute bei Gericht?«
    »Morgen.«
    »Oh, störe ich dich wirklich nicht?«
    »Du bist eine nette Ablenkung«, erwiderte sie und lächelte mir zu.
    Das Haus war ordentlich und verbreitete immer noch die Atmosphäre, als sei seine Bewohnerin eben erst eingezogen, obwohl sie nun schon seit knapp zwei Jahren hier lebte. Im Wohnzimmer gab es einen wunderschönen offenen Kamin mit einem Sims aus schwarzem Marmor. In Nischen zu beiden Seiten waren Holzscheite gestapelt. Dort, wo sonst das Feuer brannte, stand ein kleiner Holzengel mit ausgebreiteten Flügeln. Das restliche Zimmer war minimalistisch eingerichtet: zwei Sofas, beide schwarz, ein Fernseher in der Ecke und daneben eine Topfpflanze. Unter dem Fenster, das nach vorn
hinausging, war eine Denon-Anlage aufgebaut. Auf dem einzigen Regal hoch über dem Sofa befanden sich vier Fotos, die alle Liz und ihre Tochter darstellten. Sie hatte jung geheiratet, ihre Tochter bekommen und sich kurz darauf scheiden lassen. Obwohl Liz erst dreiundvierzig war, studierte ihre Tochter schon im dritten Jahr an der Universität Warwick.
    Während ich mich ins Wohnzimmer setzte, schloss sie den Deckel der Kaffeemühle und schaltete sie ein. Das Geräusch erinnerte an Traktorreifen auf steinigem Untergrund. Der Duft von geröstetem Kaffee erfüllte das Haus. Als Liz hereinkam, zog sie die Küchentür bis auf einen Spalt zu und ließ sich mir gegenüber nieder.
    »Und was hast du so gemacht?«
    »Heute war das Treffen der Selbsthilfegruppe.«
    »Ach, ja, natürlich. Und wie war’s?«
    »Ziemlich nett. Diese Woche musste ich nicht neben Roger sitzen.«
    Sie schmunzelte. »Das ist der Typ mit dem Mazda RX-8, richtig?«
    »Richtig.«
    »Wo habt ihr gegessen?«
    »Bei einem Thailänder in Kew.«
    »Oh, ich weiß, welchen du meinst. Ich war mal mit einem Mandanten dort, nachdem er wegen Hehlerei angeklagt worden war.« Sie hielt inne und lächelte wieder. »Ein zwielichtiger Zeitgenosse. Zum Glück wurde die Haftzeit, die er sich durch mich erspart hat, durch die dicke Rechnung wettgemacht, die ich ihm nach Prozessende in den Briefkasten gesteckt habe.«
    »Du bist bestimmt ganz schön teuer.«
    »Wenn du nur wüsstest, wie teuer.« Sie zwinkerte. »Falls du jemals in den Besitz von DVD-Spielen unbekannter Herkunft geraten solltest, David, weißt du ja, an wen du dich wenden musst.«

    Wieder lächelte sie, und wir sahen einander eine Weile an. Der Lärm der Kaffeemühle füllte das Schweigen.
    »Und hast du momentan einen Fall?«
    »Erinnerst du dich an Megan Carver?«
    Kurz hielt sie inne. Sie kannte den Namen, konnte ihn aber nicht sofort einordnen. »War das nicht das Mädchen, das verschwunden ist?«
    »Genau.«
    »Mann. Wichtiger Fall.«
    »Wichtig genug. Ich versuche, sie zu finden.«
    »Falls sie überhaupt noch lebt.«
    »Nun ja, ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, dass das nicht mehr so ist.«
    Sie verfolgte das Thema nicht weiter, obwohl ihr Blick noch immer auf mir ruhte, was mir verriet, dass sie gerne nachgehakt hätte. Zwischen unseren Berufen gab es offensichtliche Parallelen — die verstörten Mandanten, das Aufdecken von Lügen und Halbwahrheiten und die Ermittlungsarbeit  –, doch tief in meinem Innersten war mir klar, dass die Sache viel einfacher lag: Sie wollte, dass sich zwischen uns etwas entwickelte.
    »Ach, fast hätte ich es vergessen«, sagte sie nach einer Weile und verschwand im Flur.
    Wieder betrachtete ich die Fotos auf dem Regal. Auf einem hatte Liz den Arm um Katies Schultern gelegt. Sie trug einen Rock und ein ärmelloses T-Shirt und sah phantastisch aus. Dunkle, keck funkelnde Augen, langes schokoladenbraunes Haar, schlank, sanfte Kurven. Wir hatten nie über die Beziehungen gesprochen, die sie seit der Geburt ihrer Tochter gehabt hatte, doch es erschien mir unmöglich, dass es da keine gegeben haben sollte. Sie war

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