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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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schön, ohne es auch nur zu ahnen, was sie noch attraktiver machte.
    Kurz darauf kehrte sie, einen Umschlag in der Hand, zurück. »Hier«, meinte sie und reichte ihn mir.

    »Kassierst du jetzt für den Kaffee?«
    »Ha, ha — du bist ein Witzbold, Raker. Nein, einer meiner früheren Mandanten hat gerade ein neues Lokal eröffnet. Ich weiß nicht, wie es ist, aber vielleicht kannst du ein paar Leute von deiner Gruppe dorthin einladen. Da ich als Anwältin keine wirklichen Freunde habe, sind die Dinger bei dir besser untergebracht.«
    Sie lächelte.
    Ich warf einen Blick in den Umschlag. Er enthielt drei Gutscheine für ein kostenloses Hauptgericht mit dem Namen eines kürzlich eröffneten italienischen Restaurants in Acton darauf.
    »Bist du sicher?«, fragte ich.
    »Ja, absolut.«
    Ich sah erst sie und dann die Gutscheine an. Überleg nicht so viel. Tu es einfach. Ich schaute auf. Sie beobachtete mich mit demselben Ausdruck im Gesicht.
    »Hast du am Freitag Zeit?«
    Sie hielt inne. Schwieg. »Fühl dich nicht verpflichtet, mich einzuladen …«
    »Ich lade dich ein, weil ich es will.«
    Sie setzte sich wieder aufs Sofa und lächelte. »Ja«, antwortete sie. »Ich habe Zeit.«
    »Dann sieht es ganz danach aus, als würden wir italienisch essen.«

7
    Als ich hereinkam, stand Megans Aufbewahrungsbox aus Plastik noch auf dem Küchentresen. Ich trug sie ins Wohnzimmer, setzte mich an den Tisch und breitete den Inhalt, zu drei Haufen sortiert, vor mir aus: Schmuck, Briefe, Fotos.

    Zuerst sah mich mir den Schmuck an. Ein paar Goldkettchen. Ein Armband. Einige Ringe. In der Mitte befand sich eine Kette, die ungewöhnlich war und nicht so richtig zu den anderen Sachen passen wollte: eine dunkle Glasscherbe, möglicherweise Obsidian, an einer langen schwarzen Kordel. Ich hielt sie hoch, und als ich beobachtete, wie sie sich langsam drehte, stellte ich fest, dass auf der Rückseite Megans Initialen eingraviert waren. Ich legte die Kette separat vom restlichen Schmuck ab und wandte mich den Briefen zu.
    Da mit der Hand geschriebene Briefe inzwischen ziemlich selten waren, nahm ich an, dass die in der Box mindestens zwei Jahre alt sein mussten. Doch ich hatte mich um weitere zwei Jahre verschätzt. Es waren insgesamt fünf, alle nicht abgeschickt und an ihre Großeltern in Norfolk gerichtet. Der letzte stammte aus der Woche nach ihrem dreizehnten Geburtstag.
    Als Nächstes ging ich ins Arbeitszimmer und schaltete den Computer ein. Megans Kamera wurde mit einem handelsüblichen USB-Kabel von Sony betrieben, sodass auch meines passte. Ich verband die Kamera mit dem Computer und kopierte die Fotos auf meinen Desktop. Die meisten zeigten dieselbe Megan wie auf den Fotos, die ich bereits kannte. Also befasste ich mich mit dem Foto, das vor dem Wohnblock aufgenommen worden war.
    Nun war alles viel klarer zu erkennen. Zwei Metalltüren mit bruchsicheren Glasscheiben. Sonnenlicht spiegelte sich im Glas. Alles andere war nur schemenhaft auszumachen: vielleicht ein Baum und die Kante eines anderen Gebäudes. Auf der rechten Seite hinter Megan befanden sich sandfarbene Mauersteine. Sie trug eine dunkle Jeans, einen schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt, eine dicke Fliegerjacke und einen roten Schal.
    Und dann war da dieses Lächeln.
    Ich öffnete eines der anderen Fotos, das sie mit Leigh am
Strand zeigte, und schob die beiden Bilder nebeneinander. Anderer Zeitpunkt. Anderer Ort. Anderes Lächeln. Das Lächeln am Strand war zwar freundlich, aber künstlich. Ein Lächeln, das einzig und allein für die Kamera bestimmt war. Das zweite Lächeln unterschied sich völlig davon. Es malte sich in ihrem ganzen Gesicht, brachte ihre Augen zum Funkeln und rötete ihre Wangen. Ich musste herausfinden, wo dieses Foto entstanden war.
    Aber noch wichtiger war die Identität des Fotografen.
     
    Mit dem Passwort, das die Polizei den Carvers gegeben hatte, rief ich Megans E-Mails auf. Im Posteingang waren zweiundvierzig Nachrichten, die meisten davon automatisch verschickte Newsletter von Firmen, bei denen sie vermutlich etwas bestellt oder deren Webseite sie besucht hatte. Drei weitere fielen mir auf: zwei von Kaitlin und eine von Lindsey. Alle waren nach Megans Verschwinden gesendet worden, und als ich sie öffnete, stellte ich fest, dass sie Megan baten zurückzukommen oder wenigstens ihre Eltern anzurufen. Wahrscheinlich hatte die Polizei die Mädchen nach den Mails gefragt und ihre Konten auf eine mögliche Antwort hin überprüft.
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