Blutiges Schweigen
Bioreferat zu arbeiten. Nach etwa einer Stunde sagte sie, sie müsse kotzen.«
»Hatte sie so was öfter?«
»Nein. Sie meinte, ihr wäre schon den ganzen Vormittag schlecht. Das mit dem Kotzen ginge jetzt schon seit einer Woche jeden Tag. Offenbar hätte sie etwas Falsches gegessen.«
»Aber das haben Sie nicht geglaubt.«
»Nein.«
»Und da hat sie es Ihnen erzählt?«
»Nach einer Weile. Sie sagte, sie habe einen Schwangerschaftstest gemacht, nachdem Übelkeit und Kopfschmerzen nach einer Woche immer noch nicht aufgehört hätten.«
»Haben Sie sie gefragt, wer der Vater ist?«
»Ja.«
»Und was hat sie geantwortet?«
Kaitlin sah mich an. »Jetzt wird es verwirrend.«
»Okay.«
»Das ist der Grund, warum ich gelogen habe.«
Ich forderte sie mit einem Nicken auf, weiterzusprechen.
»Megan hatte viel Freude daran, anderen Leuten zu helfen. Sie wissen schon. Spenden für wohltätige Zwecke und so. In den Sommerferien hat sie immer in einem Jugendclub ausgeholfen, der in derselben Straße liegt, in der sie wohnt. Ich glaube, er war für spastisch gelähmte Jugendliche oder so.« Sie hielt inne und schaute aus dem Fenster. »Jedenfalls hat sie mir erzählt, sie hätte jemanden kennengelernt.«
»Im Jugendclub?«
»Ja.«
»Hat sie Ihnen seinen Namen genannt?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Wieder hielt sie inne, diesmal länger. »Er war einige Jahre älter als sie. Zehn oder fünfzehn oder so. Sie hatte Angst, er könnte Schwierigkeiten kriegen.«
»Mit wem?«
»Megan war siebzehn. Was, glauben Sie, hätten ihre Eltern gesagt, wenn sie dahintergekommen wären, dass sie mit einem Typen geht, der über dreißig ist?«
Ich lehnte mich zurück. »Hat sie etwas über ihn erzählt?«
»Nur, dass sie ihn wirklich sexy und sehr klug findet und dass sie sehr verliebt seien.« Sie zuckte die Schultern. »Ich habe sie nie so über einen Typen reden hören. Megan war …
nun, sie lernte nicht viele Männer kennen. Wenn wir weggegangen sind, hatte sie nie Lust, jemanden zu treffen.«
»Hat sie ihn beschrieben? Wie sah er aus?«
»Nein.«
»Nichts?«
»Nein.«
Wieder dachte ich an den Mann im Club. War er es? Er war zwar nicht unbedingt attraktiv, aber sicher mindestens fünfzehn Jahre älter als sie. Obwohl das Alter ungefähr passte, stimmte der Rest nicht. Weshalb sollte er sich im Hintergrund herumdrücken, wenn sie ihn kannte? Und warum war er überhaupt dort? Ich griff in die Jackentasche, holte das Foto heraus und schob es über den Tisch zu Kaitlin hinüber.
»Erkennen Sie ihn?«
»Ist das im Tiko’s?«
»Ja.«
Ich hatte das Bild zurechtgeschnitten, damit die Mädchen nicht zu sehen waren. Dennoch huschten ihre Augen zwischen mir und dem Foto hin und her, und in ihrem Kopf arbeitete es.
»Erkennen Sie ihn?«, fragte ich wieder.
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Positiv.«
Ich nahm das Foto und faltete es zusammen.
»Hat sie Ihnen anvertraut, wie oft sie Sex mit ihm hatte?«
Kaitlin errötete leicht.
»Es braucht Ihnen nicht peinlich zu sein.«
Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Vier Mal.«
»Wie weit war sie?«
»Sie meinen, in welchem Monat?«
»Ja.«
»Noch nicht sehr weit. Ich glaube, in der fünften oder sechsten Woche.«
»Wusste der Mann, mit dem sie schlief, von der Schwangerschaft?«
»Ja.«
»Hat sie es ihm gesagt?«
»Ja.«
Ich schrieb es auf. Als ich wieder den Kopf hob, stellte ich fest, dass Kaitlin mich anstarrte. Zum ersten Mal erkannte ich das Mädchen hinter der Fassade.
»Ist alles in Ordnung?«
»Ich wünschte nur, ich hätte nicht gelogen. Dann hätte die Polizei sie vielleicht gefunden. Meinen Sie, sie könnte mit diesem Mann davongelaufen sein? Oder könnte sie …« Ihre Stimme erstarb.
»Hören Sie, Kaitlin«, erwiderte ich, »wenn die Polizei sich aus irgendeinem Grund bei Ihnen meldet, erwähnen Sie die Schwangerschaft nicht. Ich weiß nicht, ob sie sich noch einmal an Sie wenden wird. Der Fall wurde zwar zu den Akten gelegt, doch man könnte sich wieder dafür interessieren, wenn man bemerkt, dass ich Nachforschungen anstelle. Und deshalb ist es das Wichtigste, Sie zu schützen. Sie können der Polizei meinetwegen von dem Jugendclub erzählen und davon, dass sie vielleicht mit jemandem dort etwas hatte. Aber dabei sollten Sie es belassen, einverstanden?«
Sie nickte.
»Gut. Wie heißt denn der Jugendclub?«
»Barton Hill.«
»Und er ist in der Nähe von Megans Haus?«
»Ja.«
»Waren Sie jemals dort?«
»Nein. Sie hat mich ein paarmal
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