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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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der Scheidung einen schweren Nervenzusammenbruch. Schließlich hat sie ihren Job verloren, wurde krank und hat ein Jahr mit Selbstmordversuchen verbracht. Markham musste sie einweisen lassen.«
    »Ist sie noch in der Klinik?«
    »Nein.«
    »Wo dann?«
    »Offenbar wurde sie Mai letzten Jahres entlassen.«
    »Vielleicht sollte man sich mal mit ihr unterhalten.«
    »Wenn Sie sie finden. Ich habe gestern in der Klinik angerufen, um ihre letzte bekannte Adresse zu erfahren, aber sie ist zu keiner der Selbsthilfegruppen erschienen und wurde nie wieder gesehen.«
    »Nie wieder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nie wieder.«
    Wir sahen einander an, und ich erkannte, dass wir dasselbe dachten: Es konnte kein Zufall sein, dass sich noch eine Frau, die in Kontakt mit Markham stand, in Luft aufgelöst hatte. »Hatte er ein Alibi für den Tag von Megans Verschwinden?«
    »Er hat gearbeitet.«
    »Haben Sie im Krankenhaus gefragt, ob er heute Dienst hat?«
    »Ja. Man hat mir gesagt, er sei seit zwei Tagen krankgeschrieben.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich. Irgendein grippaler Infekt.«
    »Gestern in der Wohnung habe ich nichts von Hustensaft bemerkt. Eigentlich war sie überhaupt ziemlich leer. Sah aus, als wäre sie ausgeräumt worden.«
    »Vielleicht hat er sich deshalb freigenommen.«
    Nur, dass die Wohnung nicht so gewirkt hatte, als wäre der Bewohner endgültig ausgezogen. Einige Gegenstände
und Möbelstücke standen noch an ihrem Platz. Die Heizung lief. Der Strom war nicht abgestellt.
    Endlich setzte sich die Autoschlange wieder in Bewegung. Ich warf Healy einen Blick zu.
    »Da ist noch eine achte Akte«, stellte ich fest.
    Er hob den Kaffeebecher an die Lippen und trank einen Schluck. Als er ihn wieder sinken ließ, zuckten seine Finger wie am Vortag. Er war eindeutig ein ehemaliger Raucher, hatte aber aufgehört, denn weder er noch das Auto rochen nach Qualm. Außerdem lagen nirgendwo Zigarettenpäckchen herum, und er hatte während der mehr als einstündigen Fahrt kein einziges Mal das Bedürfnis nach einer Zigarette geäußert. Allerdings hatte er es offenbar noch nicht ganz überwunden. Seine Finger brauchten etwas zu tun.
    »Healy?«
    Die Akten lagen auf meinem Schoß. Das Foto der Frau in Nummer acht blickte mir entgegen. Healy betrachtete erst mich, dann das Foto.
    »Später«, erwiderte er leise.

    Statisches Knistern
    Als Sona die Augen aufschlug, war alles voller Licht. Sofort schloss sie sie wieder, rollte sich herum und robbte auf die Wand des Lochs zu. Nur, dass da keine Wand war. Sie war auch nicht mehr im Loch.
    Langsam öffnete sie ein zweites Mal die Augen. Um sie herum nahmen Konturen Gestalt an. Die vier weißen Wände des Raums, in dem sie sich befand. Die beiden dünnen Neonröhren über ihrem Kopf, die ständig surrten. Eine Glasscheibe, die von der Decke bis zur Mitte der Wand reichte. Als sie genauer hinschaute, stellte sie fest, dass es sich um einen einseitigen Spiegel handelte: Der ganze Raum reflektierte sich darin; was auf der anderen Seite war, konnte sie nicht erkennen.
    Sie setzte sich auf. Neben dem Spiegel hatte die Wand eine Tür, und dort stand ein Tisch mit einem Glas Wasser darauf. Daneben lag eine gefaltete Karte: Ein Pfeil zeigte auf das Glas. Trink das , stand darunter. Außerdem lag ein Krankenhausnachthemd quer über dem Tisch. Anziehen , hieß es weiter. Kurz dachte sie an ihre Mutter, die ihr in ihrer Kindheit Alice im Wunderland vorgelesen hatte. Im nächsten Moment kroch Todesangst in ihr hoch und verscheuchte die Erinnerung.
    Sona stand da und betrachtete sich im Spiegel. Sie war nicht sicher, wie lange sie in dem Loch gefangen gehalten worden war. Nach einer Woche hatte sie den Überblick verloren. Allerdings konnte sie einige Veränderungen an sich feststellen.
Erstens hatte sie dort, wo er sie zuletzt geschlagen hatte, einen Bluterguss im Gesicht. Auch eines ihrer Augen war ein wenig verschwollen. Außerdem sah sie aus wie jemand, der an Schlafstörungen litt. Sie hatte zwar in den meisten Nächten geschlafen, allerdings nie tief, denn sie war immer halbwach geblieben, damit sie ihn rechtzeitig bemerkte.
    Doch nicht der Bluterguss oder ihre Augen stellten die größte Veränderung dar.
    Sondern ihre Haut.
    Sona trat näher an den Spiegel und berührte mit dem Finger das Glas. An ihren Wangenknochen, der Rundung ihres Kinns und der Nasenspitze entstanden stumpfe, matte kleine Lichtpunkte. Ihre Haut war wächsern. Als sie mit den Fingern darüberfuhr, blieb eine Spur darauf

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