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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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Bilder, die ich dabei vor Augen hatte, zeigten mich bei dem verzweifelten Versuch, ihn zu bändigen  – bis ich irgendwann daran scheiterte.
    »Hören Sie«, begann ich mit gesenkter Stimme, »wenn Sie hochgehen wie eine Rakete, werden Sie die Sache für uns beide vermasseln. Ich weiß, was Sie empfinden, vergessen Sie das nicht. Ich kenne das Gefühl, wie es ist, jemanden zu verlieren. Aber Sie müssen wegen der Kamera einen ruhigen Eindruck machen. Am besten drehen Sie sich um und schauen sich die Wohnung an, als wären Sie schon mal hier gewesen, verstanden?
Es muss so aussehen, als würden wir nichts finden  – oder als wüssten wir nicht, was wir damit anfangen sollen.«
    »Und was machen Sie unterdessen?«
    »Ich gehe eine Etage höher.«
    »Wollen Sie ihn suchen?«
    »Ja.«
    »Ich komme mit.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Einer von uns muss hierbleiben.«
    »Dann bleiben Sie .«
    »Nein«, protestierte ich und erhob zum ersten Mal die Stimme. »Sie haben die Perspektive verloren. Sie müssen sich erst einmal beruhigen.« Ich hielt inne. »Er soll glauben, dass wir noch eine Weile hierbleiben.«
    Er musterte mich. Ich fragte mich, ob er zu dem Schluss gekommen war, dass ich recht hatte, oder ob er sich einen Plan B zurechtlegte, in dem für mich kein Platz war. Da ich ihn nicht gut genug kannte, konnte ich das nicht entscheiden. Außerdem wurde mir allmählich klar, dass es tatsächlich ein schwerer Fehler gewesen war, ihn um Hilfe zu bitten. Sobald sich der Zorn gelegt hatte, verwandelte sich Healy in eine Steinmauer. Ausdruckslos. Nicht der geringste Hinweis auf seine Gefühle. Eigentlich war ich gut darin, das Verhalten meiner Mitmenschen zu deuten, doch bei ihm traf ich auf Granit. Und das hieß, dass ich ihm nicht trauen konnte.
    »Gut«, sagte er mit ruhiger Stimme, »tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
    Er wandte sich ab. Ich wartete einen Moment und fragte mich, ob ich die Sache richtig angegangen war. Dann steuerte ich wieder auf die Kamera zu. Dabei achtete ich darauf, nicht in die Linse zu schauen, um den Eindruck zu erwecken, ich wolle ins Schlafzimmer zurückkehren.
    Und dann brach das Chaos aus.

45
    An der Schlafzimmertür stand Healy plötzlich hinter mir und stieß mich ins Zimmer hinein. Im ersten Moment war ich völlig überrascht. Ich stolperte vorwärts, wäre beinahe gestürzt und prallte gegen den nächstbesten Schrank. Hinter mir schloss sich die Tür. Ich hörte, wie Healy schnell und mit polternden Schritten die Wohnung verließ. Die Eingangstür knallte gegen die Wand, als er sie aufriss. Seine Schritte auf dem Flur verklangen rasch.
    Healy, du blöder Idiot .
    Dann Tumult, diesmal von oben.
    Ich stürmte aus der Wohnung in den Flur hinaus. Healy rannte die Treppe hinauf in den ersten Stock. Seine Schritte hallten durchs Haus. Zwei Stufen auf einmal nehmend, hatte ich gerade den Treppenabsatz erreicht, als die Wohnungstür aufgerissen wurde. Eine Gestalt erschien und floh in die entgegengesetzte Richtung. Es war ein Mann. Und zwar derselbe, den ich in der Gasse vor dem Jugendclub gesehen hatte. Langer dunkler Mantel, dunkle Hose, schwarze Stiefel, dunkle Mütze. Healy hatte ihn beinahe erreicht, ich war etwa drei Meter entfernt, holte aber auf.
    Am Ende des Flurs befanden sich zwei Türen, eine links und eine rechts. Beide führten zu einer Außentreppe: die linke Tür nach unten, die rechte nach oben. Der Mann hastete auf die linke Tür zu und zerrte daran. Sie erschauderte im Rahmen, klemmte und öffnete sich dann  – allerdings nicht weit genug. Er passte nicht durch den Spalt. Also versuchte er es mit der rechten Tür und zog kräftig daran  – sie rührte sich keinen Zentimeter. Seine Hand rutschte von der Klinke.
    Er saß in der Falle.
    Im nächsten Moment stürzte sich Healy auf ihn.

    Er packte den Mann am Arm und riss ihn herum. Healys Gesicht war verzerrt und gerötet. Lodernde Wut brach auf wie eine Erdspalte. Doch der Mann war schnell und schlug zweimal zu. Ein Hieb gegen die Brust, einer gegen die Kehle. Healy taumelte rückwärts und presste sich die Hand auf die Luftröhre, holte aber mit dem Fuß aus. Er traf den Mann am Knie, sodass er zur Seite und gegen die linke Tür geschleudert wurde, die krachend zufiel.
    Diesmal machte Healy richtig Ernst und warf sich mit ausgestreckten Händen und zusammengebissenen Zähnen auf ihn. Kurz wirkte seine schiere Körpergröße überwältigend. Nicht dick oder übergewichtig, sondern einfach nur ein Koloss,

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