Blutjägerin (German Edition)
erwartet. Sie musste das nun zu Ende bringen.
„Ich stelle hier die Fragen.“ Sie war erstaunt, wie leicht es ihr fiel, so einen harten Tonfall anzuschlagen. Der Anblick des Vampirs hatte ihren Vorsatz, niemand verletzen zu wollen, aufgeweicht. Dieser Mann war eine der Bestien, die ihre Mutter auf dem Gewissen und im Grunde ihr eigenes Leben bestimmt und geprägt hatten. Ohne Vampire keine Jäger. Wie hätte ihre Familie wohl gelebt, wenn ihr Vater Versicherungsvertreter gewesen wäre? Wie hätte ihr Leben ausgesehen? Zorn und Abscheu vermischt mit der Wut auf die Dinge, wie sie nun mal waren, kochten in ihr hoch. Der Vampir wich unterdessen weiter zurück und stieß gegen einen Instrumentenwagen. Skalpelle, Scheren und anderes Werkzeug fielen zu Boden.
„Sind Sie Doktor Roth?“
„Der bin ich.“
Sie zog die Waffe aus dem Halfter, richtete sie auf den Vampirarzt. Es kostete ihre ganze Kraft, nicht zu zittern. Ob vor Wut oder Entsetzen über sich selbst, wusste sie nicht.
„Haben Sie den Totenschein meines Vaters Friedrich Richter unterschrieben?“
„Ich weiß nicht, wovon du redest, Jägerin.
„Diese Kugeln enthalten hoch konzentrierte Säure. Ein Schuss …“
„Und mein Fleisch zersetzt sich, blablabla, ich weiß, ich bin Arzt“, sagte er in abwertendem Ton.
„Lass die Späße und beantworte meine Frage.“ Sie stützte ihren Schussarm mit der anderen Hand, um ihn zu fixieren und dem Vampir zu signalisieren, dass sie es ernst meinte. Der Vampir zuckte zusammen. Er riss die Augen auf.
„Schon gut“, sagte er, aber auch wenn es im Moment so schien, hatte sie den Vampir keineswegs im Griff und das bereitete ihr Unbehagen. Bereits auf dem Friedhof hatte sie gelernt, wie schnell diese Kreaturen waren. „Richter, ja.“ Er kratzte sich am Kopf und nickte, als wäre es ihm soeben eingefallen. „Herzversagen.“
„Es war kein Herzversagen. Ich will die Wahrheit wissen.“ Sie entsicherte die Waffe und Roth zuckte erneut zusammen.
„Nein, bitte, bitte … ich bin kein Krieger“, wimmerte er. „Du hast recht, du hast vollkommen recht … es war kein Herzversagen. Jemand hatte die Finger im Spiel und ihn getötet.“
In diesem Moment schallte Gebrüll durch den Raum. Ein Schlag traf sie in den Rücken und schleuderte sie in Roths Richtung. Der Mann wich blitzschnell zur Seite und sie stürzte über einen Instrumentenwagen. Edelstahlgeräte regneten über sie nieder. Vier Gestalten, einer verwahrloster als der andere, standen im Raum.
Das waren auch keine Freunde von Roth, denn der Arzt wich in eine Ecke zurück. „Verschwindet, das sind die Räume der Agentur!“
„Halts Maul, Doc“, antwortete einer der Vier, ein breitschultriger Hüne. „Wir gehören der freien Liga an. Die Gesetze deines Rats scheren mich einen Dreck.“
Zu schnell, um es mit bloßem Auge verfolgen zu können, stand er vor dem Arzt, packte ihn, hob ihn hoch und drückte ihn so heftig gegen die Wand, dass Sophie die Knochen des Mannes knacken hörte.
Der Hüne drehte den Kopf in ihre Richtung. „Wen haben wir denn da? Unser Hühnchen.“
Einer der anderen kam auf sie zu. Sie überlegte nicht lange, griff nach der Pistole und drückte ab. Die Wucht des Schusses, der ein Loch in die Brust des Kerls schlug, schmerzte in ihrem Handgelenk. Der getroffene Vampir zuckte und zappelte, während die Säure ihre Arbeit tat.
Auch der zweite Vampir war schneller als das menschliche Auge erfasste und stand so plötzlich neben ihr, dass sie ihm nichts entgegenzusetzen hatte. Er presste ihren Waffenarm zu Boden und hielt sie mit seinen Knien unten. Stechender Schmerz bestrafte jede Bewegung. Nun saß sie verdammt noch mal in der Falle.
Nachdem Gerald Sophie nirgends fand, war er seinem ursprünglichen Ziel gefolgt und zur Gerichtsmedizin gefahren. Bereits beim Betreten des Lifts stellte er fest, dass der Schutzmechanismus, der die unterirdische Anlage vor unerwünschten Besuchernsicherte, deaktiviert war. Für gewöhnlich kam niemand so einfach hier runter. Jemand musste einen Weg gefunden haben, das System zu umgehen.
Was zur Hölle war hier los?
Gerald war hergekommen, um den toten Taxifahrer zu sehen und sich zu vergewissern, ob die Moratis noch immer hinter Sophie her waren. In nur wenigen Tagen hatte sich das Problem mit diesem Clan in eine Richtung verschoben, die ihm nicht behagte. Sie waren für den Rat zwar vogelfrei, doch nun gehörte der Clan der Moratis der freien Liga an. Das bedeutete, er musste vorsichtig
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