Blutjägerin (German Edition)
weiterzugehen, Angst vor dem, was sie finden würde. Die Spur führte quer durch die Wohnung und kurz darauf fand sie eine Leiche mit faustdicken Löchern in Brust auf dem Boden des Wohnzimmers, von einer umgeworfenen Vitrine begraben. Es war ein Vampir, klein, schmächtig und unscheinbar. Seine Fänge waren ausgefahren und seine Augen hatten das Entsetzen des grausamen Säuretodes festgehalten. Furchtbar. Sie würde sich wahrscheinlich nie an den Anblick eines Toten gewöhnen. Ihr Magen revoltierte bei dem Gestank süßlich-saurer Verwesung.
Draußen auf dem Gang hielt sie sich den Ärmel vor ihre Nase. Eigentlich hatte sie genug gesehen, aber sie musste Julius finden.
Die Blutspur verstärkte sich. An einigen Stellen waren die Tropfen von Schuhen zertreten, deren Profil darin angetrocknet und verewigt war. Schließlich erreichte sie die Tür am Ende des Ganges. Wie alle anderen Türen war sie nur noch ein wackeliges Gebilde aus zerschlagenen Werkstoffplatten. Dahinter lag eine schmale Wendeltreppe, die zum Dachboden führte.
Ihr Magen zog sich zusammen, als sie den schweren Gestank des Todes aufnahm. Alles in ihr sträubte sich, den Speicher zu betreten. Sie zwang sich Stufe für Stufe nach oben und dort sah sie ihn. Mit Stricken an den Unterarmen an zwei Holzpfeiler gespannt, blutleer und zu Tode gefoltert.
Oh, Gott. Julius. Sie ertrug seinen Anblick nicht. Trauer und Entsetzen ließen sie zurückweichen. Auf der Treppe stolperte sie, fiel die letzten zwei Stufen hinunter und knallte mit dem Kopf auf den Fliesenboden. Für einen Moment tat sich Schwärze vor ihren Augen auf. Dennoch stemmte sie sich hoch und schleppte sich, so schnell sie ihre Füße trugen, nach draußen. Sie atmete tief, kämpfte gegen den Brechreiz an und es dauerte einige Sekunden, bis sie sich einigermaßen in der Gewalt hatte.
Anschließend zog sie das Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der Wiener Polizei.
„Kriminalpolizei Wien, Hauptkommissar Montiel am Apparat.“
Sophie schilderte, was geschehen war. Er würde seine Leute schicken. Als sie auflegte und das Handy zurück in die Tasche schieben wollte, läutete es. Doras Nummer erschien auf dem Display. Sophie hob ab. Nach kurzem Schweigen erklang Doras Stimme.
„Bist du da Sophie?“, fragte sie, seltsam hohl und fremd.
„Ja, ich bin’s.“
„Was machst du gerade?“, fuhr Dora fort, mit einem Klang, als würde sie einen auswendig gelernten Satz herunterstottern.
„Warum fragst du?“ Sophie hielt den Atem an, konzentrierte sich auf das Telefonat und die Geräusche im Hintergrund. Sie glaubte, ein unterdrücktes Wimmern zu hören und das Räuspern einer Männerstimme.
„Ist jemand bei dir?“
„Nur Meike.“ Dora schnaufte, als sei sie gerade gelaufen. „Sie möchte auch, dass du zu mir kommst.“
„Jetzt sofort?“ Was zur Hölle war hier los? Die Stimme gehörte eindeutig Dora, aber es klang, als würde jemand anderes damit sprechen.
„Ja, bitte.“
„Was ist los mit dir?“
„Du kommst jetzt sofort hierher, verstanden?“, knurrte jemand ins Telefon. Ein schriller Schrei ertönte im Hintergrund. Meike. „Deine Freundin kann es kaum erwarten, intimere Bekanntschaft mit uns zu machen.“ Schallendes Gelächter folgte. „Du hast dreißig Minuten.“
Dann brach das Telefonat ab. Sophies Gedanken überschlugen sich. Sie sah Julius vor sich, dann hingen Meike und Dora an seiner Stelle. Ihr Magen krampfte sich erneut zusammen. Verdammt, wenn den beiden etwas zustieß, würde sie damit nicht leben können, da sie wusste, dass diese widerlichen Bestien nur sie wollten. Auch wenn es eine Falle war, sie musste dorthin. Und sie musste einen fahrbaren Untersatz finden.
Der makabre Gedanke, dass sie sich Julius gegenüber nicht mehr für den Verbleib des Leichenwagens rechtfertigen musste, durchzuckte sie. „Verzeihen Sie mir bitte, Herr Julius.“ Sie sprach die Worte laut aus, als schwebten sie zu ihm hinauf auf den Dachboden. Sophie hoffte nur, dass sein Tod nicht auch mit ihrem mittlerweile offenen Kampf gegen den Vampirclan zu tun hatte, aber tief in ihrem Inneren wusste sie es besser. Das Gewissen schnürte ihr die Kehle zu. Verdammt, sie durfte nicht zwei weitere Leben in Gefahr bringen. Dieses verdammte Katz- und Mausspiel musste ein Ende haben, und wenn es das ihre bedeutete. Nur ihre Freundinnen durften auf gar keinen Fall zu Schaden kommen.
Der schwarze Kombi im Hof war Schrott, dahinter in einem Geräteschuppen entdeckte sie jedoch ein altes
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