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Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Weitbrecht
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sollte die Ortung von oben mit übernehmen. Aber bis jetzt ahnten sie noch nicht, wohin Wilma wollte. Zur Autobahn oder ziellos durch Stuttgart?
    „Ei verbibsch, wo haben Sie denn so fahren gelernt?“, fragte Marco. In besonders brenzligen Situationen verfiel er immer noch ins Sächsische. In letzter Zeit des Öfteren, seitdem seine Mutter zu Besuch bei ihm weilte.
    Marco hielt sich zusätzlich noch am Handgriff über dem Fenster fest, als eine Vertiefung in der Fahrbahn den Peugeot hüpfen ließ und die Federung durchschlug, während Annes Tempo dem der Verdächtigen in Nichts nachstand.
    Wilma Fiori drängte einen Linienbus und zwei Maybach am Hotel Steigenberger ab und flüchtete in Richtung Wagenburgtunnel. Bis jetzt |178| erwischte sie an den Ampeln die grüne Welle. Anne und Marco befanden sich vier Autolängen hinter ihr.
    Kurz nach dem Königin-Katharina-Stift lenkte Wilma ihr Auto plötzlich nach links in die Willi-Brandt-Straße, noch immer fuhr sie sehr schnell, überholte selbst da, wo es schier unmöglich schien, schnitt andere Autos, preschte über eine rote Ampel am Planetarium. Die Starenkästen blitzten auf.
    Anne folgte ihr, sie sah auf den Tacho: 120 km/h, für die Stadt ein wahnsinniges Tempo. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, wenn ihr jetzt etwas passierte, was würde dann mit Julian geschehen? Wenn kein Vater mehr für ihn sorgte, und seine Großmutter Magda zu alt war? Aber dann schob sie den Gedanken weit von sich. In ihrem Beruf konnte jeden Augenblick etwas Schreckliches geschehen, sie setzte, wie ihre Kollegen, täglich ihr Leben aufs Spiel – von heute auf morgen konnte sie tot sein. So viel Geld konnte das Land für seine Polizisten gar nicht bezahlen. Sie konzentrierte wieder auf den Verkehr und das Auto von Wilma Fiori.
    Inzwischen hatte sich der Abstand zwischen ihnen verkleinert und sie sah die Rücklichter von Wilmas Mazda schon eine Weile.
    Am Stöckach, an der Ecke von Neckar- und Hackstraße, dort wo das Passantengewimmel sich mit dem Pulk von Fahrgästen der Stadtbahn vereinigte, vorbei an türkischen Lebensmittelgeschäften, Dönerläden, einem Bioladen, bunten Gemischtwarenläden und einer Metzgerei überfuhr Wilma auf der regennassen Fahrbahn die rote Ampel, bog verbotenerweise plötzlich nach links über die Gleise ab. In diesem Moment kam von rechts aus Richtung Bahnsteig eine U4 angerauscht und krachte in die Seite des Autos. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Wagen gedreht, sodass seine Motorhaube frontal zur Bahn stand. Funken sprühten, mit einem lauten metallenen Crescendo schob die U4 das Auto zehn Meter vor sich her, bevor es auf den Gleiskörpern zum Stehen kam.
    Anne konnte gerade noch reagieren, in die Hackstraße einfahren und eine Vollbremsung hinlegen, sonst wäre sie ebenso verunglückt. Einige Verkehrsteilnehmer fuhren Schlangenlinien, um ihrem Auto auszuweichen. Anne vernahm es krachen. Inzwischen hörte sie vor und hinter sich den gellenden Signalton zweier Polizeiautos. Diese hielten an und stoppten den Verkehr auf beiden Straßenseiten. Ein Stadtbahnfahrer auf der gegenüberliegenden Spur in Richtung Untertürkheim erkannte gerade noch rechtzeitig die Situation und bremste nur wenige Meter vom |179| Unfallauto entfernt. Fußgänger blieben auf den Bürgersteigen stehen und starrten fassungslos auf die filmreife Szene.
    Marco hing wie benommen im Sicherheitsgurt. Für einen Augenblick herrschte Stille. Aber dann rief Anne: „Zugriff“ und verließ hastig ihren Peugeot. Sie nahm im Laufen ihre Heckler&Koch aus dem Halfter, entsicherte sie und ging auf den, in der ganzen Front wie ein Akkordeon zusammengequetschten Mazda zu. Sie stieg auf die Schienen und öffnete die linke Wagentür des Wracks. Auf den ersten Blick erkannte sie, dass sie diese Frau nicht mehr zu verhaften brauchte. Der Airbag hatte zwar Wilmas Gesicht und den Brustkorb geschützt, aber der Kopf lag merkwürdig verdreht nach hinten. Die Augen der Toten waren starr, glanzlos, aus der Nase und dem Mund rann eine dünne Spur Blut.
    „Wahrscheinlich Genickbruch“, stellte Marco, der sich inzwischen eingefunden hatte, atemlos fest. Über ihnen kreiste der Polizeihubschrauber.

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    Der Regen hatte aufgehört. Während der Fahrt nach Hause dachte Anne immer wieder an die offenen Fragen im Mordfall Harry Kohl. Zwei Spuren musste sie noch nachgehen.
    Eine Mörderin tot, die andere Verdächtige nicht vernehmungsfähig und würde es wahrscheinlich auch in

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