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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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wild rollenden, rot geränderten Augen, das schüttere weiße Haar zerrauft. »Scheiß-Kritiker!«, brüllte er und schwenkte eine leere Dose in die Richtung der Geister.
    »Es wird alles wieder gut«, versicherte Tempel Buckhorms Sohn. Seinem Zweitältesten, wie er glaubte. Nicht einem der beiden toten. Natürlich nicht, denn für sie würde nichts wieder gut werden, sie hatten schon alles verloren. Dieser Gedanke war jedoch nicht dazu angetan, ihren Bruder zu beruhigen, und deswegen sagte Tempel noch einmal: »Es wird alles wieder gut«, und versuchte so zu klingen, als ob er es auch so meinte, obwohl das schmerzhafte Pochen seines Herzens und die Wunde in seiner Hinterbacke seine Stimme leicht schwanken ließ. Ein Stich in den Hintern, das hörte sich lustig an. War es aber nicht.
    »Es wird wirklich alles wieder gut«, sagte er, als ob seine Behauptung durch diese Betonung wahr wurde. Er erinnerte sich, dass Kahdia dasselbe zu ihm gesagt hatte, als die Belagerung begann und überall in Dagoska die Feuer ausbrachen, dabei war es schmerzhaft offensichtlich gewesen, dass gar nichts gut werden würde. Es hatte trotzdem geholfen, dass es jemanden gab, der stark genug war, diese Lüge von sich zu geben. Deswegen legte Tempel Buckhorms Zweitgeborenem die Hand auf die Schulter und sagte: »Es wird … wirklich … alles … wieder gut.« Dieses Mal klang seine Stimme sicherer, und der Junge nickte. Tempel fühlte sich selbst stärker, nun, da er jemand anderen stützen konnte. Er fragte sich, wie lange diese Kraft anhalten mochte, falls die Geister noch einmal angriffen.
    Buckhorm warf die Schaufel neben den Gräbern auf die Erde. Er trug noch immer sein Kettenhemd, noch immer mit falsch geschlossenen Schnallen, so dass es sich vorn zusammenschob, und er wischte sich die schweißnasse Stirn mit dem Handrücken und hinterließ dabei eine Dreckspur.
    »Es würde uns sehr viel bedeuten, w-w-w… wenn Sie etwas sagen könnten.«
    Tempel hob verblüfft den Kopf. »Tatsächlich?« Aber vielleicht konnten würdevolle Worte durchaus aus unwürdigen Mündern kommen.
    Die meisten Truppmitglieder hatten sich darangemacht, die Befestigungen des Lagers zu stärken, soweit man überhaupt von so etwas sprechen konnte, wenn sie nicht zum Horizont starrten und sich die Fingernägel blutig bissen oder überhaupt zu sehr damit beschäftigt waren, aufgrund der großen Wahrscheinlichkeit des eigenes Ablebens in Panik auszubrechen, um sich um andere zu sorgen. Zu denen, die sich schließlich bei den fünf Erdhügeln versammelten, zählten Buckhorm, seine noch unter Schock stehende, blinzelnde Frau und ihre nun immerhin noch achtköpfige Brut, die alle Empfindungen zwischen Trauer, Angst und verständnisloser guter Laune zeigte, außerdem zwei von den Huren und ihr Lude, der sich zwar während des Angriffs nicht hatte blicken lassen, aber immerhin anschließend wieder aufgetaucht war, um beim Graben zu helfen, sowie Gentili mit zweien seiner Vettern und Scheu, die mit finsterem Gesicht auf die aufgeworfene Erde über Liefs Grab starrte und den Schaufelstiel so fest umklammerte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sie hatte kleine Hände, wie Tempel plötzlich auffiel, und in ihm wallte ein seltsames Mitgefühl für sie auf. Oder vielleicht war es auch nur Selbstmitleid. Ja, höchstwahrscheinlich war es das.
    »Gott«, brachte er krächzend heraus und musste sich dann erst einmal räuspern. »Manchmal … macht es den Eindruck … als seist du nicht da draußen.« Als Tempel das viele Blut und die Verschwendung von Leben gesehen hatte, hatte er vielmehr den Eindruck gewonnen, Er sei nirgendwo. »Aber ich weiß, du bist es«, log er. Er wurde schließlich nicht für die Wahrheit bezahlt. »Du bist überall. Um uns herum und in uns, und du wachst über uns.« Nicht, dass Er deswegen irgendetwas für die Menschen tat, aber so war das eben mit Gott. »Ich bitte dich … Ich flehe dich an, wache über diese Jungen, die in fremder Erde begraben wurden, unter fremdem Himmel. Und auch über diese Männer und Frauen. Du weißt, dass sie ihre Fehler hatten. Aber sie hatten sich aufgemacht, um in der Wildnis etwas aufzubauen.« Tempel fühlte selbst die Tränen in seinen Augen brennen, musste sich kurz auf die Lippe beißen, zum Himmel aufsehen und sie wegblinzeln. »Nimm sie in deine Arme und gib ihnen Frieden. Niemand verdient es mehr als sie.«
    Sie standen eine Weile schweigend da, der Wind zupfte am ausgefransten Saum von Tempels Mantel und fegte

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