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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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vermutete Scheu, war vermutlich der große Sangied. Er trug einen Mantel aus Federn über einem angelaufenen Brustpanzer, der so aussah, als hätte ihn vor tausend Jahren ein stolzer General des Kaiserreichs getragen. Davon abgesehen hatte er drei Ketten aus Menschenohren um den Hals, vermutlich Beweis seiner großen Stärke, aber ganz offensichtlich lagen seine besten Tage schon lange hinter ihm. Scheu hörte seinen feuchten, rasselnden Atem, und eine Hälfte seines gegerbten Gesichts war schlaff; in dem herunterhängenden Mundwinkel glitzerte versprühter Speichel.
    Konnten diese lächerlichen kleinen Gestalten wirklich die Ungeheuer sein, die auf der Großen Ebene kreischend auf sie zugestürmt waren? Es war eine Lektion, an die sie sich hätte erinnern sollen, aus der Zeit, da sie selbst als gefürchtete Räuberin unterwegs war: Zwischen dem Schrecklichen und dem Bemitleidenswerten sind die Grenzen fließend, und meist hängt es von der Betrachtungsweise ab.
    Wenn überhaupt, dann flößten ihr die alten Männer, die auf ihrer Seite des Feuers saßen, mehr Furcht ein. Die zuckenden Flammen machten aus den gefurchten Gesichtern teuflische Fremde, die Augen glühten in kühl beschatteten Höhlen, die Spitze des Bolzens in Savians gespanntem Flachbogen schimmerte kalt, Lamms Züge waren verzerrt und verdreht wie ein vom Wetter gebeugter Baum und durchzogen von alten Narben, und sie ließen keinen Schluss auf seine Gedanken zu, noch nicht einmal für sie, die ihn schon so lange kannte. Vielleicht in ganz besonderer Weise nicht für sie.
    Süß neigte den Kopf, sagte ein paar Worte in der Geistersprache und machte dazu ein paar ausladende Armbewegungen. Sangied erwiderte etwas, langsam und mühevoll, hustete dann und brachte schließlich noch einen Satz heraus.
    »Wir tauschen nur ein paar Nettigkeiten«, erklärte Süß.
    »An dieser Sache ist nichts Nettes«, fuhr Scheu ihn an. »Bringen wir es hinter uns und sehen zu, dass wir ins Lager zurückkommen.«
    »Wir können in deinen Worten sprechen« sagte einer der Geister in der Gemeinen Sprache, aber auf eigentümliche Weise, als ob er den Mund voller Kiesel hatte. Es war ein junger Mann, der Sangied am nächsten saß und mit grimmigem Gesicht über das Feuer blickte. Vielleicht sein Sohn. »Ich heiße Lockweg.«
    »In Ordnung.« Süß räusperte sich. »Das ist jetzt mächtig in die Hosen gegangen, was, Lockweg? Niemand hätte hier draußen sterben müssen. Jetzt guck dir das an. Tote auf beiden Seiten, nur um dort hinzukommen, wo wir auch vorher schon hätten stehen können, wenn ihr gesagt hättet, wie der Hase läuft.«
    »Jeder, der ungebeten über unser Land zieht, spielt mit seinem Leben«, sagte Lockweg. Er nahm sich offenbar ziemlich wichtig, und das war eine ziemliche Leistung für jemanden, der eine zerrissene, alte Uniformhose der Unionskavallerie trug und sich dazu einen Biberpelz über den Schritt geschnallt hatte.
    Süß schnaubte. »Ich habe die Große Ebene durchstreift, bevor du je an einer Zitze genuckelt hast, Bürschchen. Und jetzt willst du mir sagen, wo ich entlangreiten darf und wo nicht?« Er rollte seine Zunge ein und spuckte ins Feuer.
    »Ist doch scheißegal, wer wo langreitet«, fauchte Scheu. »Es ist ja wohl nicht so, als ob irgendjemand, der noch bei Trost ist, dieses Land hier haben wollte.«
    Der junge Geist sah sie böse an. »Sie hat eine bittere Zunge.«
    »Fick dich.«
    »Das reicht«, knurrte Savian. »Wenn wir miteinander verhandeln wollen, dann sollten wir das tun und wieder gehen.«
    Lockweg warf Scheu einen finsteren Blick zu, dann beugte er sich zu Sangied und raunte ihm etwas ins Ohr. Der sogenannte Kaiser der Großen Ebene ließ die Worte kurz einsickern, dann krächzte er eine Entgegnung.
    »Fünftausend von euren Silbermark«, erklärte Lockweg, »und zwanzig Stück Vieh und zwanzig Pferde, und dann könnt ihr mit euren Ohren weiterziehen. So lautet das Wort des gefürchteten Sangied.« Der alte Geist hob sein Kinn und grunzte.
    »Ihr könnt zweitausend haben«, sagte Scheu.
    »Dreitausend dann eben, und die Tiere.« Seine Art zu feilschen war beinahe ebenso armselig wie seine Kleider.
    »Meine Leute haben zwei gesagt. So viel könnt ihr haben. Was das Vieh betrifft, so könnt ihr das Dutzend mitnehmen, das ihr blöderweise mit euren Pfeilen sowieso schon abgeschlachtet habt, sonst nichts. Keine Pferde.«
    »Dann werden wir vielleicht kommen und sie uns nehmen«, sagte Lockweg.
    »Ihr könnt es ja versuchen, ihr

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