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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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große Veranstaltung unaufhaltsam näher rückte.
    »Was passiert, wenn Cantliss gar nicht kommt?« Sie sprach ins Dunkel hinein. »Wie werden wir Pit und Ro dann finden?«
    Lamm setzte sich langsam auf und strubbelte sich mit den Fingern durch sein graues Haar. »Wir müssen dann einfach weitersuchen.«
    »Was ist, wenn …« Sooft sie es auch schon gedacht hatte, bisher hatte sie noch nie den letzten Schritt getan und es tatsächlich ausgesprochen. »Was ist, wenn sie tot sind?«
    »Wir werden suchen, bis wir das mit Sicherheit wissen.«
    »Was ist, wenn sie draußen auf der Großen Ebene umgekommen sind und wir das nie herausfinden werden? Mit jedem Monat, der vergeht, wird es doch wahrscheinlicher, dass wir es nie erfahren, oder? Dass sie einfach verloren sind, und wir sie niemals finden.« Ihre Stimme wurde schrill, aber sie konnte nichts dagegen tun, sie wurde immer lauter und wilder. »Sie könnten jetzt doch überall sein, oder, tot oder lebendig? Wie finden wir zwei Kinder in der unerschlossenen Wildnis hier draußen? Wann hören wir auf, das ist es, was ich wissen will. Wann können wir aufhören?«
    Er schlug die Decke zurück, ging leise zu ihr hinüber und zuckte leicht zusammen, als er in die Hocke ging, dann sah er ihr ins Gesicht. »Du kannst aufhören, wann immer du willst, Scheu. Du bist so weit gekommen, und der Weg war lang und hart, aber höchstwahrscheinlich liegt ein ebenso langer und harter Weg noch vor uns. Ich habe deiner Mutter ein Versprechen gegeben, und das halte ich. So lange es dauert. Ist ja auch nicht so, dass ich so viel Besseres zu tun hätte. Aber du bist noch jung. Du hast das Leben noch vor dir. Wenn du aufhörtest, niemand würde dir einen Vorwurf machen.«
    »Ich vielleicht.« Nun lachte sie und wischte sich eine aufsteigende Träne mit dem Handrücken weg. »Ist ja auch nicht so, dass ich sonst so ein tolles Leben oder was wirklich Besseres zu tun hätte, oder?«
    »Da schlägst du ganz nach mir«, sagte er und schüttelte die Decken auf ihrem Bett auf, »ob du nun meine Tochter bist oder nicht.«
    »Wahrscheinlich bin ich bloß müde.«
    »Wer wäre das nicht?«
    »Ich will sie einfach nur wiederhaben«, sagte sie, als sie unter die Laken schlüpfte.
    »Wir werden sie zurückholen.« Damit deckte er sie zu und legte ihr eine schwere Hand auf die Schulter. Beinahe glaubte sie ihm in diesem Augenblick. »Schlaf jetzt ein bisschen, Scheu.«
    Abgesehen vom ersten dünnen Morgenlicht, das in einem grauen Streifen durch die Vorhänge und über Lamms Decken kroch, war es dunkel im Zimmer.
    »Willst du wirklich gegen diesen Golding antreten?«, fragte sie nach einer Weile. »Er kam mir ganz anständig vor.«
    Lamm blieb so lange still, dass sie sich fast schon fragte, ob er eingeschlafen war. Dann sagte er: »Ich habe schon bessere Männer aus schlechteren Gründen umgebracht, muss ich leider sagen.«

BETTGENOSSEN
    I m Großen und Ganzen musste Tempel zugeben, dass er den hohen Ansprüchen, die er hatte, insgesamt selbst nicht genügt hatte. Nicht einmal den weniger hohen. Er hatte eine Vielzahl von Unternehmungen angefangen. Für viele davon hätte sich ein anständiger Mensch geschämt. Bei den übrigen konnte er sich an keine erinnern, die nicht aufgrund einer Mischung aus Pech, Ungeduld und einer übergangslosen Begeisterung für die nächste spannende Sache als echte Enttäuschung oder sogar als komplette Katastrophe geendet hatte.
    Dass sich Majuds Geschäft seiner Fertigstellung näherte, war daher eine sehr angenehme Überraschung.
    Einer der Suljukisen, der den Trupp auf der Reise durch die Ebene begleitet hatte, zeigte sich als geradezu künstlerisch veranlagter Dachdecker. Lamm hatte sich mit seinen neun Fingern aufs Mauern verlegt und sich auch dabei als sehr fähig erwiesen. Erst kürzlich dann waren die Buckhorms in kompletter Zahl angetreten und hatten dabei mitgeholfen, die Planken für die Seitenwände zu sägen und festzunageln. Und wenn Lord Ingelstad ausnahmsweise einmal nicht damit beschäftigt war, sein Geld an die Spieler vor Ort zu verlieren, dann ließ er sich sogar dazu herab, Ratschläge für den Anstrich zu geben. Schlechte Ratschläge zwar, jedoch immerhin.
    Tempel trat auf der Straße einen Schritt zurück und betrachtete die fast fertiggestellte Fassade, der nur noch die Balustraden vor den Balkonen und die Glasscheiben in den Fenstern fehlten, und gönnte sich das breiteste und selbstzufriedenste Grinsen seit langer Zeit. Dann warf ihn ein kräftiger

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