Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
verpassen werden«, sagte Bermi. »Aber jetzt sputen wir uns besser, die anderen Jungs werden schon ein gutes Stück voraus sein.«
    Tempel schob seine neue Schaufel durch einen der Gurte auf dem Rücken seines Packpferds, bewegte sich langsam, noch langsamer und hielt dann inne. Es war ein oder zwei Tage her, dass er Scheu gesehen hatte, aber er hatte sich selbst auch während ihrer Abwesenheit immer wieder an seine Schuld erinnert. Jetzt fragte er sich, ob sie irgendwo dort draußen war, immer noch verbissen auf der Suche nach den Kindern. Man konnte jemanden nur bewundern, der so an einer Sache festhielt, egal, um welchen Preis und wie die Chancen standen. Vor allem, wenn man selbst jemand war, der nie an etwas festhielt. Nicht einmal, wenn er es selbst wollte.
    Tempel dachte kurz darüber nach, bewegungslos bis zu den Knöcheln im halb gefrorenen Schlamm. Dann ging er zu Bermi hinüber und legte dem Styrer die Hand auf die Schulter. »Ich komme nicht mit. Meinen grenzenlosen Dank für das Angebot, aber ich muss ein Haus fertig bauen. Und ich habe eine Schuld zu bezahlen.«
    »Seit wann zahlen Sie Ihre Schulden?«
    »Seit jetzt, nehme ich an.«
    Bermi warf ihm einen verblüfften Blick zu, als frage er sich, ob er gerade einen guten Witz verpasst hatte. »Kann ich Sie nicht noch umstimmen?«
    »Nein.«
    »Sie waren stets ein Blatt im Wind.«
    »Offenbar kann man über sich hinauswachsen.«
    »Was ist mit Ihrer Schaufel?«
    »Die schenke ich Ihnen.«
    Bermi kniff die Augen zusammen. »Da ist doch eine Frau im Spiel, oder nicht?«
    »Ja, schon, aber nicht so, wie Sie denken.«
    »Wie denke ich denn?«
    Tempel schnaubte. »So ist es jedenfalls nicht.«
    »Wir werden ja sehen.« Bermi zog sich in den Sattel. »Ich bin mir sicher, es wird Ihnen leidtun, wenn wir mit Goldklumpen groß wie Hundehaufen zurückkehren.«
    »Wahrscheinlich sogar schon viel früher. Aber so ist das Leben.«
    »Da haben Sie recht.« Der Styrer schwenkte seinen Hut und hob ihn zum Abschiedsgruß in die Höhe. »Mit dem Kerl ist nicht zu reden!« Damit zog er los, Schlamm spritzte von den Hufen seines Pferdes, als er die Hauptstraße hinaufritt und ein Grüppchen sturzbetrunkener Bergleute auseinandertrieb, das ihm entgegenwankte.
    Tempel stieß einen langen Seufzer aus. Er war sich nicht sicher, ob er seine Entscheidung nicht jetzt schon bedauerte. Dann runzelte er die Stirn. Einer der stolpernden Bergleute kam ihm bekannt vor: Es war ein alter Mann mit einer Flasche in der Hand und Tränenspuren auf den Wangen.
    »Iosiv Lestek?« Tempel zog die Hosenbeine hoch, um sich mit schmatzenden Schritten auf die Straße hinaus zu bewegen. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Ich wurde entehrt!«, stieß der Schauspieler krächzend hervor und schlug sich gegen die Brust. »Das Publikum … entsetzlich. Mein Auftritt … erbärmlich. Das Kulturereignis der Extraklasse … ein Debakel!« Er krallte sich in Tempels Hemd. »Ich wurde mit Wurfgeschossen von der Bühne gejagt! Ich! Iosiv Lestek! Der die Theater von Midderland beherrschte, als seien sie sein Eigen!« Nun krallte er die Finger in das eigene Hemd, das vorn etliche Flecken aufwies. »Man hat mich mit Dung beworfen! Und ich wurde von drei Frauen mit blanken Brüsten ersetzt! Die, wie ich hinzufügen möchte, tosenden Applaus erhielten. Ist denn das alles, was heutzutage das Publikum interessiert? Brüste?«
    »Die sind wahrscheinlich eine Art Dauerbrenner …«
    »Alles ist vorbei!«, heulte Lestek zum Himmel.
    »Halt dein verdammtes Maul!«, brüllte jemand von einem der oberen Fenster.
    Tempel fasste den Schauspieler am Arm. »Kommen Sie, ich bringe Sie zu Camlings …«
    »Camling!« Lestek riss sich los und schwenkte abermals die Flasche. »Dieser verdammte Wurm! Dieser verräterische Kuckuck! Er hat mich aus seinem Wirtshaus geworfen! Mich! Jawohl, mich! Lestek! Aber ich werde meine Rache an ihm nehmen!«
    »Zweifelsohne.«
    »Er wird schon noch sehen! Sie werden alle noch sehen! Mein größter Auftritt liegt noch immer vor mir!«
    »Sie werden es ihnen schon zeigen, aber vielleicht am Tage. Es gibt noch andere Wirtshäuser …«
    »Ich bin mittellos! Meinen Wagen habe ich verkauft, mich von allen Requisiten getrennt, ich habe meine Kostüme verpfändet!« Lestek sank im Matsch auf die Knie. »Ich habe nichts außer den Lumpen, die ich trage!«
    Tempel stieß einen dampfenden Seufzer aus und wandte den Blick abermals dem sternenübersäten Himmel zu. Offenbar befand er sich jetzt auf einem

Weitere Kostenlose Bücher