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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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den Dreck geworfen. Er fuhr zu Scheu herum, dieses Mal deutlich angesäuert.
    »Du kriegst ja dein Geld, du Blutsaugerin …«
    Ein riesiger Kerl mit winzigem Gesicht inmitten eines enorm breiten, kahlen Schädels stand hinter ihm. »Hochwürden … will … dich sehen«, tönte er, als wäre es eine Textzeile, die er sich für eine kleine Statistenrolle nur unter Mühen eingeprägt hatte.
    Tempel ging in Gedanken die vielen verschiedenen Gründe durch, weswegen einflussreiche Leute seinen Tod wünschen mochten. »Bist du sicher, dass ich gemeint bin?« Der Mann nickte. Tempel schluckte. »Hat sie gesagt, warum?«
    »Nee. Hab auch nich gefragt.«
    »Und wenn ich lieber hierbleiben würde?«
    Das winzige Gesicht kräuselte sich unter der beinahe schmerzhaften Denkanstrengung noch kleiner zusammen. »So eine Möglichkeit … hat sie nich erwähnt.«
    Tempel sah sich hastig um, konnte aber niemanden in unmittelbarer Nähe entdecken, der ihm hätte beispringen können, und ohnehin gehörte Hochwürden zu den Leuten, die man auf lange Sicht nicht umgehen konnte. Er zuckte die Achseln, wieder einmal hilflos vom Wind des Schicksals herumgewirbelt wie ein Blatt, und setzte sein Vertrauen in Gott. Aus Gründen, die nur der Allmächtige selbst wusste, war Er Tempel in letzter Zeit ein ganzes Stück näher gekommen.
    Hochwürden sah in gedankenverlorenem Schweigen sehr lange über ihren Schreibtisch hinweg zu ihm herüber.
    Menschen, die eine hohe Meinung von sich hatten, fanden es sicher angenehm, auf diese Weise angesehen zu werden, und zählten sich innerlich vermutlich die vielen wundervollen Eigenschaften auf, die den Betrachter derart sprachlos gemacht hatten. Für Tempel war es eine Tortur. In diesem abschätzenden Blick spiegelten sich für ihn all die Enttäuschungen, die er an sich selbst wahrnahm. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und wünschte, die Qual sei bald vorüber.
    »Ich fühle mich sehr geehrt durch Ihre freundliche Einladung, Euer … Hochwürdigkeit«, brachte er schließlich heraus, als er es nicht mehr aushielt, »aber …«
    »Wieso sind wir hier?«
    Der alte Mann am Fenster, dessen Anwesenheit ihm bisher noch ein Geheimnis war, stieß ein knisterndes Kichern aus. »Juvens und sein Bruder Bedesch haben diese Frage sieben Jahre lang diskutiert, und je länger sie stritten, desto weiter entfernten sie sich von der Antwort. Ich bin Zacharus.« Er beugte sich vor und streckte eine Hand mit knotigen Knöcheln aus, die Fingernägel von schwarzen Halbmonden aus festgesetztem Dreck gekrönt.
    »Zacharus, wie der Magus?«, fragte Tempel, der zögernd die eigene ausstreckte.
    »Genau so.« Der alte Mann ergriff seine Hand, drehte sie um und strich über die Schwiele an Tempels Mittelfinger, die noch immer spürbar war, obwohl er schon seit Wochen keinen Federkiel mehr in der Hand gehabt hatte. »Ein Mann der Schrift«, sagte Zacharus, und eine Schar Tauben, die auf dem Fensterbrett hockte, begann plötzlich zu flattern und ihre Flügel gegeneinander zu schlagen.
    »Ich habe … mehrere Berufe ausgeübt.« Tempel gelang es, sich dem erstaunlich kräftigen Griff des Alten zu entwinden. »Ich wurde im Großen Tempel von Dagoska in Geschichte, Theologie und Rechtswissenschaft ausgebildet, von Haddisch Kahdia …« Bei der Nennung des Namens hob Hochwürden ruckartig den Kopf. »Sie kannten ihn?«
    »Vor langer Zeit. Er war ein Mann, den ich sehr bewunderte. Er lebte das, was er predigte. Er tat das, was er für richtig hielt.«
    »Mein genaues Gegenteil«, murmelte Tempel.
    »Unterschiedliche Aufgaben erfordern unterschiedliche Talente«, bemerkte Hochwürden. »Haben Sie Erfahrungen mit Abkommen?«
    »Zufällig habe ich schon einmal einen Friedensvertrag ausgehandelt und, als ich zuletzt in Styrien war, ein oder zwei Grenzverläufe begradigt.« Er hatte als Werkzeug bei einer beschämenden und völlig illegalen Landübernahme agiert, aber Ehrlichkeit brachte vielleicht Zimmerleute und Priester voran, Rechtskundige jedoch nicht.
    »Ich möchte, dass Sie einen Vertrag für mich vorbereiten«, sagte Hochwürden. »Einen, der Knick und das Stück von Fernland, das an die Stadt grenzt, dem Kaiserreich zuschlägt und unter dessen Schutz stellt.«
    »Zum Alten Kaiserreich? Der größte Teil der Siedler stammt aus der Union. Wäre es da nicht sinnvoller …«
    »Die Union kommt nicht infrage.«
    »Verstehe. Nun möchte ich mich hier nicht ins Unglück reden – das tue ich ohnehin schon oft genug. Aber die einzigen

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