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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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faire Chance bekommt, und Sachen einfach zu nehmen ist einfacher, als sie selbst herzustellen. Ich trieb mich in ziemlich übler Gesellschaft herum und zog die Leute dann noch weiter in den Abgrund. Noch mehr Raubzüge, noch mehr Morde, und vielleicht hatten ein paar Kerle verdient, was sie bekamen, ein paar aber vielleicht auch nicht. Wer kriegt schon, was er verdient?«
    Tempel musste an Kahdia denken. »Ich gebe zu, dass Gott in dieser Hinsicht manchmal ein bisschen unfair ist.«
    »Am Schluss hingen in halb Naheland Plakate, auf denen ich gesucht wurde. Rauch haben sie mich genannt, als ob ich etwas sei, wovor man Angst haben müsste, und es war ein Preis auf meinen Kopf ausgesetzt. Das war wohl die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich das Gefühl hatte, etwas wert zu sein.« Sie zog die Lippen ein wenig hoch und zeigte die Zähne. »Irgendeine Frau wurde dann erwischt und an meiner statt gehängt. Die sah nicht mal so aus wie ich, aber sie wurde umgebracht, und ich kam durch, und ich habe keine Ahnung, wieso.«
    Ein lastendes Schweigen machte sich nun breit. Sie hob die Flasche und nahm ein paar große, lange Schlucke, ihre Halsmuskeln bewegten sich angestrengt dabei, und als sie die Flasche wieder absetzte, rang sie nach Luft, und ihre Augen tränten. Es wäre ein idealer Moment für Tempel gewesen, um ein paar Entschuldigungen zu murmeln und abzuhauen. Nur wenige Monate zuvor hätte jetzt schon die Tür geklappt. Seine Schulden hatte er immerhin beglichen, und das war schon mehr, als er üblicherweise vor seinem Rückzug hinbekam. Aber er merkte, dass er dieses Mal nicht gehen wollte.
    »Wenn du willst, dass ich die schlechte Meinung teile, die du von dir hast«, sagte er, »dann kann ich dir diesen Gefallen leider nicht tun. Wie es scheint, hast du ein paar Fehler gemacht.«
    »Das alles nennst du ein paar Fehler?«
    »Ein paar ziemlich blöde, aber doch, ja. Du hast dich doch nicht dazu entschlossen, Böses zu tun.«
    »Wer entscheidet sich schon dafür?«
    »Ich zum Beispiel. Gib mir die Flasche.«
    »Was wird das denn?«, fragte sie, während sie ihm das Gewünschte zuwarf. »Ein Wettstreit, wer die beschissenere Vergangenheit hat?«
    »Ja, und den gewinne ich.« Er schloss die Augen und zwang sich, einen Schluck runterzuwürgen, der auf dem Weg durch seine Kehle brannte und kratzte. »Nachdem meine Frau gestorben war, verbrachte ich ein Jahr als der elendste Trunkenbold, den du je gesehen hast.«
    »Ich hab schon ein paar richtig heruntergekommene gesehen, das kann ich dir versichern.«
    »Dann stell dir etwas noch Schlimmeres vor. Ich dachte, dass ich nicht mehr tiefer sinken könnte, und deswegen heuerte ich als Rechtskundiger bei einer Söldnertruppe an, wo ich bald merkte, dass es sehr wohl noch tiefer abwärts ging.« Er hob die Flasche. »Auf die Kompanie der Gütigen Hand unter Generalhauptmann Nicomo Cosca! Oh, welch edle Bruderschaft!« Er trank noch einen Schluck. Es fühlte sich auf eklige Weise gut an, als ob man am Schorf einer Wunde herumpulte.
    »Klingt ziemlich hochgestochen.«
    »Dachte ich auch.«
    »War’s aber nicht?«
    »Eine schlimmere Ansammlung menschlichen Abschaums hast du noch nie gesehen.«
    »Ich hab schon ziemlich üble gesehen.«
    »Dann stell dir etwas noch Schlimmeres vor. Zu Anfang glaubte ich, es gäbe gute Gründe für das, was sie taten. Was wir taten. Dann redete ich mir zumindest noch ein, es gäbe gute Gründe. Dann wusste ich, dass es nicht einmal gute Ausreden gab, aber ich machte trotzdem mit, weil ich zu feige war, um mich ihren Taten entgegenzustellen. Wir wurden nach Naheland geschickt, um Rebellen auszuräuchern. Ein Freund von mir versuchte, ein paar Menschen zu retten. Er wurde umgebracht. Die anderen auch. Sie töteten sich gegenseitig. Aber ich verdrückte mich, wie immer, und lief weg, weil ich nun mal ein Feigling bin, bis ich in einen Fluss fiel und Gott aus Gründen, die nur ihm selbst bekannt sind, eine gute Frau vorbeischickte, die meinen wertlosen Kadaver aus dem Wasser zog.«
    »Um es genau zu sagen, hat Gott eine Mörderin und Geächtete geschickt.«
    »Tja, seine Wege sind eben wahrlich wunderbar. Ich kann nicht sagen, dass ich dich gleich gemocht habe, das stimmt wohl, aber ich fange allmählich an zu glauben, dass Gott mir genau das geschickt hat, was ich brauchte.« Tempel stand auf. Es war nicht leicht, aber er schaffte es irgendwie. »Ich habe das Gefühl, als sei ich mein ganzes Leben lang weggelaufen. Vielleicht wäre es jetzt an der

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