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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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dem Fenster springst, du kannst gern die Treppe nehmen.«
    »Lass es mich wiedergutmachen.«
    Sie sah unter ihren Brauen zu ihm hoch. »Wir ziehen jetzt in die Berge, Tempel. Dieses Arschloch Cantliss wird uns zeigen, wo dieses Drachenvolk lebt, und wir werden versuchen, meinen Bruder und meine Schwester zurückzuholen, und ich kann dir nicht versprechen, dass irgendwas gutzumachen sein wird. Ich kann dir aber ein paar andere Sachen versprechen – es wird hart und kalt und gefährlich, und es wird nicht mal Fenster geben, aus denen man rausspringen kann. Du wirst da ungefähr so nützlich sein wie ein abgebranntes Streichholz, und wir wollen mal beide nicht die Ehrlichkeit beleidigen, indem wir uns was anderes vormachen.«
    »Bitte.« Er machte einen flehentlichen Schritt auf sie zu. »Bitte gib mir noch eine …«
    »Lass mich in Ruhe«, sagte sie und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ich will nur hier sitzen und ganz in Frieden spüren, wie mir alles wehtut.«
    Das war es dann also. Vielleicht hätte er mehr kämpfen sollen, aber Tempel war nun mal kein Kämpfer. Den Blick auf den Boden gerichtet, nickte er und zog leise die Tür hinter sich zu, schlich die Treppe hinunter und ging zum Tresen.
    »Hast du gekriegt, was du wolltest?«, fragte Lamm.
    »Nein«, sagte Tempel, der ein paar Münzen auf das Holz rollen ließ. »Aber ich hab gekriegt, was ich verdient habe.« Dann fing er an zu trinken.
    Er war sich vage bewusst, dass von draußen Hufschlag zu hören war, laute Rufe und das Klappern von Zaumzeug. Ein neuer Trupp, der in die Stadt gezogen kam. Ein paar neue Enttäuschungen. Aber er war zu sehr mit seinen eigenen beschäftigt, um überhaupt nur den Kopf zu heben. Er wies den Mann hinter der Theke an, die Flasche stehen zu lassen.
    Dieses Mal konnte er niemand anderem die Schuld zuschieben. Nicht Gott, nicht Cosca und ganz bestimmt nicht Scheu. Lamm hatte recht gehabt: Wo immer man auch hinrannte, man nahm sich selbst dabei mit. Tempels Problem war Tempel, das war noch nie anders gewesen. Er hörte schwere Schritte, klimpernde Sporen, laute Rufe nach etwas zu trinken und nach Frauen, aber er blendete all das aus, zwang seiner Kehle ein neues Glas beißender Flüssigkeit auf, kippte sie runter, griff mit brennenden Augen nach der Flasche.
    Jemand anders kam ihm zuvor.
    »Lass die mal besser stehen«, knurrte Tempel.
    »Und wie könnte ich mir dann einen einschenken?«
    Beim Klang dieser Stimme stieg schreckliche Kälte sein Rückgrat hinauf. Seine Augen krochen zu der Hand an der Flasche – angejahrt, voller Altersflecken, mit dreckigen, gesprungenen Fingernägeln und einem protzigen Ring am Zeigefinger. Sie krochen weiter über die speckige Spitze des Ärmels, den schlammbespritzten Stoff hinauf, über den Brustpanzer mit seiner abblätternden Goldschicht, über den dürren, von Ausschlag befallenen Hals bis zum Gesicht. Dieser schrecklich vertrauten, hohlwangigen Visage mit der scharf geschnittenen Nase, den hellen Augen, dem angegrauten Schnurrbart, dessen Spitzen mit Wachs kunstvoll gedreht worden waren.
    »O Gott«, hauchte Tempel.
    »Na, fast«, erwiderte Nicomo Cosca und zeigte jenes strahlende Lächeln, das er beherrschte wie kein anderer, und gute Laune und gute Absichten waren in seinem zerfurchten Gesicht zu lesen. »Guckt mal, wer hier ist, Leute!«
    Mindestens ein Dutzend der wohlbekannten und zutiefst verabscheuten Gestalten hatte sich hinter dem Alten in den Raum gedrängt. »Wie stehen die Quoten?«, fragte Brachio, der seine gelben Zähne zeigte. In seinem Waffengurt steckten weniger Messer als zu der Zeit, da Tempel die Kompanie verlassen hatte, aber ansonsten wirkte er unverändert.
    »Frohlocket, ihr Getreuen«, grollte Jubair, der die Schrift auf Kantesisch zitierte, »denn der Wanderer kehrt zurück.«
    »Sie waren wohl auf Kundschaftergang?«, fragte Dimbik abfällig, glättete sein Haar mit einem angefeuchteten Finger und zog seine Schärpe zurecht, die sich inzwischen in einen schmierigen Fetzen undefinierbarer Farbe verwandelt hatte. »Und haben uns auf den Weg zum Ruhm gemacht?«
    »Ah, ein Schnaps, ein Schnaps, ein Schnaps …« Cosca nahm mit großer Geste einen langen Schluck aus Tempels Flasche. »Habe ich Ihnen das nicht immer gesagt? Wenn man lange genug wartet, dann haben die Dinge die Angewohnheit, an ihren gewohnten Platz zurückzukehren. Nachdem ich meine Kompanie verlor, verbrachte ich einige Jahre als mittelloser Wanderer, hin und her getrieben von den Winden

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