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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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über seine abgebrochenen Fingernägel. »Ich habe es versucht.«
    »Brauchst du Hilfe?«, fragte sie.
    Sein Gesicht verzog sich, und er ließ den Kopf hängen. Dann nickte er.
    »Wir alle brauchen gelegentlich mal Hilfe«, sagte Lamm. »Ich hole mal die Schaufeln vom Wagen.«
    Scheu beugte sich vor, überlegte kurz, dann legte sie dem Jungen sanft eine Hand auf die Schulter. Sie spürte, dass er sich versteifte, und dachte, er würde sie abschütteln, aber das tat er nicht, und sie war froh darüber. Vielleicht brauchte sie es mehr als er, dass ihre Hand dort liegen blieb.
    Sie zogen weiter, inzwischen nicht mehr zu zweit, sondern zu dritt, aber sonst hatte sich nicht viel verändert. Es herrschte noch immer derselbe Wind, über ihnen wölbte sich derselbe Himmel, sie folgten denselben Spuren, und zwischen ihnen stand dasselbe angespannte Schweigen. Der ausgefahrene Weg beanspruchte den Karren heftig, und mit jeder Meile, die er hinter den geduldigen Ochsen herratterte, schlingerte er stärker. Eines der Räder hatte sich innerhalb des eisernen Radreifens schon fast aufgelöst. Scheu hatte dafür durchaus Verständnis; hinter ihrer grimmigen Miene hatte auch sie sich schon weitgehend aufgelöst. Sie luden die Sachen ab und ließen die Ochsen frei auf der Wiese grasen, dann stemmte Lamm den Wagen schnaufend an einer Seite hoch, während Scheu den Schaden mit den vorhandenen Werkzeugen und dem halben Sack Nägel so gut sie konnte reparierte. Lief bemühte sich, mitzuhelfen, aber das beschränkte sich darauf, dass er ihr den Hammer reichte, wenn sie darum bat.
    Die Spuren führten zu einem Fluss hinunter und dort, an einer seichten Stelle, über eine Furt. Calder und Scale hatten keine große Lust, den Fluss zu durchqueren, aber schließlich trieb Scheu sie zu einem hohen Mühlhaus, das dreistöckig aus Stein errichtet worden war. Die Männer, denen sie folgten, hatten gar nicht erst versucht, hier Feuer zu legen, und das Mühlrad drehte sich noch immer klatschend im Wasser. Zwei Männer und eine Frau waren an einem Ladehaken vor dem Dachfenster aufgehängt worden. Einer hatte einen gebrochenen Hals, der viel zu lang gezogen war, dem anderen waren die Füße, die einen Schritt über dem Boden baumelten, bis aufs rohe Fleisch verbrannt worden.
    Lief sah mit großen Augen zu ihnen hinauf. »Was sind das für Männer, die so was tun?«
    »Irgendwelche Männer«, sagte Scheu. »So was schafft jeder. Da muss man nichts Besonderes sein.« Obwohl es ihr manchmal so vorkam, als ob sie etwas Seltsamem folgten. Einem verrückten Sturm, der sinnlos durch dieses verlassene Land wütete, Staub aufwirbelte und hinter sich Flaschen und Kacke und verbrannte Häuser und gehängte Menschen zurückließ. Einem Sturm, der alle Kinder mit sich riss, doch wohin und weshalb? »Hättest du Lust, da raufzuklettern, Lief, und die Leute loszuschneiden?«
    Er sah nicht so aus, als ob er Lust hätte, aber er zog sein Messer und machte sich trotzdem auf den Weg nach oben.
    »War schon gut, dass du Clay dazu bewegen konntest, dir noch ein paar Schaufeln mitzugeben«, sagte Lamm.
    Sie lachte darüber, dann merkte sie, worüber sie lachte, und machte ein hässliches Husten daraus. Liefs Kopf erschien oben am Fenster, und er lehnte sich heraus, sägte mit dem Messer an den Seilen und ließ die Toten zittern. »Irgendwie ist das doch nicht richtig, dass wir hinter diesen Dreckskerlen aufräumen müssen.«
    »Irgendjemand muss es tun.« Lamm hielt ihr eine der Schaufeln hin. »Oder willst du diese Leute hier baumeln lassen?«
    Gegen Abend, als die Ränder der Wolken von der Sonne angestrahlt wurden, der Wind die Bäume tanzen ließ und schnelle Muster aufs Gras zeichnete, kamen sie an einen Lagerplatz. Ein großes Feuer qualmte noch unter den Zweigen eines Wäldchens, ein Kreis verkohlter Zweige und feuchter Asche, der vielleicht einen Durchmesser von drei Schritt hatte. Scheu hüpfte vom Karren, während Lamm Scale und Calder schnaubend zum Stehen brachte, und sie zog ihr Messer und stocherte im Feuer herum, in dem noch ein paar Funken roter Glut aufleuchteten.
    »Sie waren über Nacht hier«, rief sie.
    »Dann holen wir sie langsam ein?«, fragte Lief, der nun ebenfalls vom Wagen sprang und einen Pfeil lose auf die Sehne legte.
    »Würde ich mal sagen, ja.« Allerdings fragte Scheu sich unwillkürlich, ob das eine gute Sache war. Sie zog ein Stück ausgefranstes Seil aus dem Gras, fand ein zerstörtes Spinnennetz zwischen einigen Büschen am Waldrand

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