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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Lamm rückte sich den Hut auf dem Kopf zurecht. »Aber vielleicht können sie uns die richtige Richtung nennen. Wir müssen diesen Karren ordentlich reparieren lassen, wir brauchen neue Ochsen oder müssen uns Pferde besorgen. Wir brauchen was zu essen. Vielleicht können diese drei …«
    »Du verdammter alter Feigling.«
    Eine Pause entstand. Dann nickte Lamm zu Scheu hinüber. »Sie und ich kauen schon seit Jahren auf dem Thema rum, und du hast zu der Unterhaltung nichts beizutragen.« Scheu betrachtete, wie der Junge neben dem Wagen stand und hochsah, während der große alte Kerl ruhig und gelassen von seinem Sitz zu ihm hinunterguckte.
    Lief verzog die Lippen. »Wir müssen hinter den Kindern her, sonst …«
    »Steig auf den Wagen, Junge, oder du folgst den Kindern allein.«
    Lief öffnete den Mund erneut, aber Scheu packte seinen Arm. »Ich will sie auch unbedingt einholen, genau wie du, aber Lamm hat recht – da draußen sind zwanzig Männer, böse Männer, bewaffnet und zu allem bereit. Wir könnten gar nichts tun.«
    »Aber irgendwann müssen wir sie doch fangen, oder nicht?«, zischte Lief und zog tief die Luft ein. »Dann doch am besten jetzt gleich, solange mein Bruder und deine Geschwister noch am Leben sind!«
    Sie musste zugeben, dass er da nicht ganz unrecht hatte, aber es ließ sich nicht ändern. Sie hielt seinem Blick stand und sagte es noch einmal direkt in sein Gesicht, ruhig, aber unnachgiebig. »Steig auf den Wagen, Lief.«
    Dieses Mal tat er, wie ihm geheißen, kletterte zwischen ihre Sachen und wandte ihnen schweigend den Rücken zu.
    Sie klemmte ihren geschundenen Hintern auf die Pritsche neben Lamm, der die Zügel schnalzen ließ, und Scale und Calder setzten sich widerstrebend in Bewegung. »Was machen wir, wenn wir die drei erwischen?«, raunte sie so leise, dass Lief es nicht hören konnte. »Höchstwahrscheinlich sind die auch bewaffnet und zu allem bereit. Jedenfalls besser bewaffnet als wir, so viel ist sicher.«
    »Tja, dann müssen wir eben zu mehr bereit sein.«
    Ihre Augenbrauen fuhren in die Höhe. Der große, sanfte Nordmann, der früher lachend durchs Weizenfeld gelaufen war, Pit auf einer Schulter und Ro auf der anderen, der bei Sonnenuntergang mit Gully draußen gesessen und sich stundenlang schweigend mit ihm an einer Flasche festgehalten hatte, dem nie die Hand ausgerutscht war, ganz gleich, wie sehr sie ihn manchmal gereizt hatte, der redete jetzt davon, sich die Hände bis zu den Ellenbogen blutig zu machen, als sei das überhaupt kein Problem.
    Ihr war klar, dass es eins war.
    Scheu schloss die Augen und erinnerte sich an Jegs Gesicht, nachdem sie ihn abgestochen hatte, wie er, die blutige Hutkrempe fest über die Augen gezogen, auf der Straße zusammengeknickt war und immer noch »Rauch, Rauch« murmelte. An den Schreiber in dem Laden, der sie anstarrte, als sich sein Hemd schwarz färbte. An den Blick in Dodds Augen, als er auf ihren Pfeil in seiner Brust starrte. Warum hast du das getan?
    Sie rieb sich mit einer Hand fest das Gesicht, weil sie plötzlich schwitzte, und das Herz hämmerte in ihren Ohren genau wie damals, und sie wand sich in ihren speckigen Kleidern, als ob sie sich der Vergangenheit entwinden könnte. Aber die Vergangenheit hatte die Oberhand, sie hatte sie eingeholt. Für Pit und Ro musste sie sich die Hände jetzt wieder blutig machen. Sie krümmte die Finger um den Messergriff, holte tief Luft und schob den Unterkiefer vor. Damals hatte sie keine Wahl gehabt. Jetzt hatte sie auch keine. Und wegen Kerlen wie jene, denen sie auf den Fersen waren, musste man ohnehin keine Tränen vergießen.
    »Wenn wir sie finden …« Ihre Stimme hörte sich in der heraufziehenden Dämmerung klein an. »Kannst du dann tun, was ich sage?«
    »Nein«, sagte Lamm.
    »Hä?« Er war schon so lange ihren Anweisungen gefolgt, dass sie nie erwartet hätte, er würde sich je einen anderen Weg suchen.
    Als sie ihn ansah, war sein altes, vernarbtes Gesicht verkrampft, als habe er Schmerzen. »Ich habe deiner Mutter ein Versprechen gegeben. Bevor sie gestorben ist. Hab versprochen, auf ihre Kinder aufzupassen. Pit und Ro … und ich denke, das schließt auch dich ein, oder?«
    »Wahrscheinlich«, murmelte sie, alles andere als überzeugt.
    »Ich habe in meinem Leben jede Menge Versprechen gebrochen. Hab zugelassen, dass sie weggespült wurden wie Blätter im Fluss.« Er rieb sich die Augen mit dem behandschuhten Handrücken. »Das hier beabsichtige ich zu halten. Wenn wir

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