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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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und wenn er dann wieder herumfuhr, übernahm das ein anderer. Sein Gewand war schon dunkel vor Blut.
    »Sollten wir dem ein Ende machen?«, raunte Tempel.
    »Natürlich«, erwiderte Cosca. »Freundlich?«
    Der Feldwebel packte den Speer des Blinden kurz unterhalb der Klinge mit einer großen Faust, riss mit der anderen ein Hackmesser unter seinem Mantel hervor und spaltete dem Mann mit einer raschen Bewegung den Kopf, ließ den Körper zu Boden sinken und warf dann den Speer klappernd beiseite.
    »O Gott«, murmelte Tempel.
    »Wir haben zu tun!«, fuhr der Alte die enttäuschten Söldner an. »Sucht das Gold!«
    Tempel riss die Hände vom Hemd und fuhr sich stattdessen durch die Haare, strubbelte sie durch, krallte sich hinein. Er hatte sich geschworen, nach Averstock, dass er nie wieder dabeistehen und zusehen würde, wie solche Dinge geschahen. Genau wie er sich das in Kadir geschworen hatte. Und vorher in Styrien. Und hier stand er nun, ohne ein Wort. Und sah zu. Aber er war noch nie jemand gewesen, der seine Versprechen hielt.
    Tempels Nase lief, kitzelte, lief weiter. Er rieb sie mit der Handwurzel, bis sie blutete, und sie lief schon wieder. Er versuchte, nur auf den Boden zu blicken, aber immer wieder brachten ihn Geräusche dazu, seine feuchten Augen zur Seite zu wenden. Um zu schauen, wo es krachte, wo es schrie und lachte und brüllte, wo es wimmerte und gurgelte und schluchzte und kreischte. Durch die Fenster und Eingänge erhaschte er Anblicke, von denen er wusste, dass sie sich ihm auf ewig einbrennen würden, und er richtete seine tränenden Augen wieder auf den Boden und flüsterte zu sich selbst: »O Gott.«
    Wie oft hatte er das während der Belagerung geflüstert? Ein ums andere Mal, während er durch die verkohlten Ruinen der Unterstadt hastete, das tiefe Grollen des Sprengpulvers die Erde erzittern ließ und er eine Leiche nach der anderen umdrehte und nach Überlebenden suchte, und wenn er welche fand, verbrannt und vernarbt und sterbend, was konnte er da tun? Er hatte gelernt, dass er keine Wunder vollbringen konnte. O Gott, o Gott . Damals war keine Hilfe gekommen. Jetzt kam auch keine.
    »Sollen wir sie verbrennen?«, fragte ein säbelbeiniger Styrer und hüpfte dabei wie ein Kind, das gern nach draußen zum Spielen möchte. Er zeigte auf ein paar Schnitzereien, die aus uralten Baumstümpfen gefertigt worden waren und deren Holz über die Jahre glänzend poliert worden war, eigentümlich und schön.
    Cosca zuckte die Achseln. »Wenn ihr durchaus wollt. Wozu ist Holz schon da, wenn nicht zum Abbrennen?« Er sah dem Söldner zu, wie er Öl über einen der Bäume schüttete und seine Zunderbüchse zückte. »Die traurige Tatsache ist, dass mir das inzwischen längst egal ist. Es langweilt mich.«
    Tempel zuckte zusammen, als ein nackter Körper neben ihm auf den Boden prallte. Ob er während des Falls schon tot oder noch lebendig gewesen war, ließ sich nicht sagen. »O Gott«, flüsterte er.
    »Vorsicht!«, bellte Freundlich und sah grimmig zu den Gebäuden auf ihrer Linken hinüber.
    Cosca sah zu, wie das Blut aus dem geborstenen Schädel des Toten sickerte, ohne sich davon in seinen Überlegungen unterbrechen zu lassen. »Ich sehe mir solche Dinge an und empfinde dabei lediglich … milde Langeweile. Meine Gedanken wandern zu anderen Dingen – was es wohl zum Abendessen gibt, oder dass es mich immer wieder unter dem Fuß juckt, oder wann und wo ich wohl mal wieder ein Frauenzimmer finden werde, das mir den Schwanz lutscht.« Er kratzte sich abwesend an seinem Hosenlatz und hielt dann wieder inne. »Ist das nicht entsetzlich, dass man von so etwas gelangweilt sein kann?« Flammen leckten lustig an der ersten Schnitzerei herauf, und der styrische Feuerteufel machte sich begeistert an der nächsten zu schaffen. »Ich habe so viel Gewalt, Verrat und Verschwendung gesehen. Das hat mir alle Begeisterung ausgetrieben. Ich bin innerlich wie betäubt. Deswegen brauche ich Sie, Tempel. Sie müssen mein Gewissen sein. Ich will an etwas glauben!«
    Er klatschte Tempel mit einer Hand auf die Schulter, und Tempel fuhr zusammen, hörte einen erstickten Schrei und konnte sich gerade noch rechtzeitig umdrehen, um zu sehen, wie eine alte Frau von einem Felsvorsprung gestoßen wurde.
    »O Gott.«
    »Genau das meine ich ja!« Cosca klopfte ihm wieder auf die Schulter. »Aber wenn es einen Gott gibt, wieso hat er all die Jahre nicht einmal die Hand gehoben, um mich zu bremsen?«
    »Vielleicht sind wir seine

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