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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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die Geisterfrau bei der ganzen Geschichte verfolgte. Irgendwie konnte Scheu sich nicht vorstellen, dass jemandem wie ihr Gold, Rebellen oder Kinder etwas bedeuteten. Aber es war schwer zu sagen, was hinter dieser faltigen Fassade vor sich ging, und die Frau ließ nicht zu, dass Licht von draußen auf ihr Inneres fiel.
    »Wie ist denn dieses Aschrang so?«, fragte Scheu.
    »Eine Stadt, die in den Berg gehauen wurde.«
    »Wie viele Leute leben da?«
    »Früher einmal Tausende. Heute nur noch wenige. Nach denen zu urteilen, die zum Kampf ausgezogen sind, nur noch sehr wenige, vor allem ganz alte und ganz junge. Keine guten Kämpfer.«
    »Wenn ein schlechter Kämpfer dir einen Speer reinrammt, bist du genauso tot, als wenn das ein guter macht.«
    »Dann lass dir keinen Speer reinrammen.«
    »Du hast jede Menge gute Ratschläge auf Lager, was?«
    »Fürchtet euch nicht«, erscholl Jubairs Stimme. In dem dunklen Durchgang konnte sie nur den Glanz seiner Augen erkennen und das Schimmern seines gezogenen Säbels, aber sie wusste, dass er lächelte. »Wenn Gott mit uns ist, dann wird er unser Schild sein.«
    »Und wenn er gegen uns ist?«, fragte Scheu.
    »Dann kann kein Schild uns schützen.«
    Bevor Scheu ihm sagen konnte, wie ungeheuer aufmunternd seine Worte waren, nahm sie schlurfende Schritte wahr, und wenig später hörte sie Savians rasselnde Stimme: »Es ist Zeit. Coscas Leute sind im Tal.«
    »Alle?«, fragte Jubair.
    »Genug von ihnen.«
    »Bist du sicher?« Scheu spürte eine derartige Unruhe in sich aufsteigen, dass es sie beinahe erstickte. Seit Monaten hatte sie alles darangesetzt, Pit und Ro zu finden. Jetzt, da dieser Augenblick vielleicht so kurz bevorstand, hätte sie ihn am liebsten noch weiter aufgeschoben.
    »Natürlich bin ich sicher, verdammt noch mal! Los!«
    Eine Hand schubste sie im Rücken, und sie stieß gegen jemanden und wäre beinahe gestürzt, stolperte ein paar Schritte weiter und ließ die Finger über die Steine gleiten, um nicht die Orientierung zu verlieren. Der Tunnel machte eine Biegung, und plötzlich spürte sie kühlere Luft auf ihrem Gesicht und blinzelte draußen ins Licht.
    Aschrang war eine riesige Mündung in der Bergflanke, eine Höhle, die in der Hälfte durchgeschnitten worden war. Steinerne Gebäude erhoben sich am Grund dieser Höhle, und darüber wölbte sich eine riesige Felswand, die über die gesamte Stadt reichte. Vor ihnen klaffte ein gewaltiger Abgrund, hinter dem sich ein weiter Himmel über einer Berglandschaft wölbte. Die Felswand hinter ihnen war mit zahlreichen Öffnungen durchsetzt – Eingänge, Fenster, Treppen, Brücken, ein Durcheinander aus Mauern und Passagen auf einem Dutzend Ebenen und aus halb in den Stein hineingebauten Häusern. Eine im Fels versunkene Stadt.
    Ein alter Mann mit kahl rasiertem Schädel starrte sie an, ein Trinkhorn halb zum Mund erhoben. Er murmelte etwas, machte einen erschrockenen Schritt zurück, dann spaltete ihm Jubairs Säbel den Kopf, er kippte blutüberströmt um, und das Trinkhorn fiel ihm aus der Hand.
    Weinender Fels wandte sich hastig nach rechts, und Scheu folgte ihr, jemand flüsterte »Scheiße, scheiße, scheiße« in ihr Ohr, und sie merkte, dass sie selbst das war. Sie duckte sich hinter einer bröckelnden Mauer, und der Atem fuhr hart aus ihrer Brust, jeder Körperteil bebte vor unerträglicher Angst und Panik und Wut, so wild und stark, dass sie glaubte, es müsste aus ihr herausbrechen, sie müsste es auskotzen oder auspissen. Von oben kamen Rufe. Dann von überall. Ihre Stiefel dröhnten auf Metallplatten, blank poliert und mit Schriftzeichen bedeckt, und kleine Steinchen lösten sich klappernd von ihren Absätzen. Ein hoher Torbogen in einer Spalte im Fels, ruckelnd und zuckend vor ihren Augen, während sie lief. Eine schwere Flügeltür, deren eine Seite sich schon geschlossen hatte, während zwei Gestalten sich beeilten, auch die zweite zuzuziehen. Eine dritte auf der Mauer über ihnen, die, einen Bogen in der Hand, auf sie zeigte. Scheu ließ sich auf ein Knie fallen und legte selbst einen Pfeil auf die Sehne. Währenddessen flog schon ein Geschoss in hohem Bogen hinab, verfehlte einen der laufenden Söldner und rutschte klappernd über den Bronzeboden. Die Sehne surrte, als Scheu ihren Pfeil freigab und ihm dann hinterhersah, wie er die Entfernung überwand und in der stillen Luft hing. Er traf die Bogenschützin in die Seite, und sie stieß einen Schrei aus – eine Frau, oder vielleicht auch ein Kind

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