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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Scheu, auf einen hohen Torbogen am anderen Ende der offenen Höhle zu.
    Ein schwarzhäutiger Mann stand daneben, mit einem Stab in der Hand, und winkte die Leute zu sich in die Dunkelheit. Waerdinur. Und direkt neben ihm war eine viel kleinere Gestalt, dünn und blass, mit rasiertem Kopf. Aber Scheu erkannte sie trotzdem.
    »Ro!«, schrie sie, aber ihre Stimme ging unter. Der Lärm der Kämpfe hallte von der steinernen Decke wider, wurde von den Gebäuden zurückgeworfen, kam von überall und nirgends. Sie sprang über eine Brustwehr, über einen Kanal, in dem Wasser floss, fuhr zusammen, als eine hohe Gestalt sie plötzlich überragte, merkte dann, dass es ein Baumstamm war, den man zu einer verdrehten Menschenfigur zurechtgeschnitzt hatte, rannte auf einen offenen Platz neben einem langen, geduckten Gebäude und kam rutschend zum Stehen.
    Einige Drachenleute hatten sich vor ihr zusammengefunden. Drei alte Männer, zwei alte Frauen und ein Junge, alle mit rasiertem Kopf, alle bewaffnet, und keiner von ihnen sah so aus, als ob er sich bewegen wollte.
    Sie hob ihr Schwert und schrie: »Geht mir verdammt noch mal aus dem Weg!«
    Natürlich wusste sie, dass sie keinen besonders imposanten Eindruck machte, und von daher war es beinahe ein Schock, als ihre Gegner langsam zurücktraten. Dann traf ein Flachbogenbolzen einen der alten Männer in den Bauch, und er klammerte die Hand darum und ließ den Speer fallen. Die anderen wandten sich um und liefen davon. Scheu hörte hinter sich laute Schritte, und Söldner rannten an ihr vorbei, heulten triumphierend, schrien. Einer von ihnen versetzte einer alten Frau einen Säbelhieb quer über den Rücken, als sie wegzuhumpeln versuchte.
    Scheu sah zu dem Torbogen hinüber, der von schwarzen Säulen flankiert und voller Schatten war. Waerdinur war nun in ihm verschwunden. Ro auch, falls sie es denn gewesen war. Sie musste es gewesen sein.
    Scheu begann zu laufen.
    Falls Cosca überhaupt eine Höchstform hatte, dann lief er bei größter Gefahr dazu auf. Tempel eilte erschauernd weiter, hielt sich so nahe an den Mauern, dass er gelegentlich mit dem Gesicht an ihnen entlangschrammte, und seine Fingernägel fummelten so unablässig am Saum seines Hemds, dass er das ganze Kleidungsstück schon fast halb aufgeribbelt hatte. Brachio beugte sich ganz weit vornüber, während er weiterlief. Selbst Freundlich hielt die Schultern verdächtig weit hochgezogen. Aber der Alte kannte keine Angst. Jedenfalls nicht vor dem Tod. Er schritt durch die uralte Siedlung, ohne auch nur im Geringsten auf die Pfeile zu achten, die gelegentlich heruntergeflogen kamen – das Kinn erhoben, die Augen voll kühnem Glanz, der Gang nur ganz leicht schwankend vom Schnaps, und die Befehle, die er kurz angebunden von sich gab, waren tatsächlich sinnvoll.
    »Holt die Bogenschützin dort herunter!« Mit dem Schwert deutete er auf eine alte Frau, die oben auf einem Gebäude stand.
    »Räumt die Tunnel aus!« Dabei zeigte er auf ein paar schattenumlagerte Öffnungen neben ihnen.
    »Tötet wenn möglich keine Kinder, abgemacht ist abgemacht!« Sein warnender Zeigefinger wandte sich dabei an ein paar Kanteser, die schon ganz blutbesudelt waren.
    Ob irgendjemand ihn beachtete, war dabei schwer zu sagen. Die Kompanie der Gütigen Hand zeichnete sich selbst zu besten Zeiten nicht gerade durch Gehorsam aus, und von besten Zeiten konnte gerade keine Rede sein.
    Tempel lief bei Gefahr alles andere als zur Höchstform auf. Er fühlte sich ganz ähnlich wie damals in Dagoska während der Belagerung. Wie er damals in dem stinkenden Lazarett geschwitzt hatte und geflucht, wie er mit Verbänden hantierte und die Kleider der Toten für neue Bandagen zerriss. Wie er Eimer weiterreichte, die ganze Nacht, während die Feuer brannten und das Wasser schwappte, und alles für nichts und wieder nichts. Es brannte doch alles nieder. Wie er um jeden Toten weinte. Vor Trauer. Vor Erleichterung, weil es nicht ihn getroffen hatte. Vor Angst, dass er der Nächste sein würde. Monate voller Angst, immer Angst. Seitdem hatte er unentwegt Angst gehabt.
    Ein paar Söldner hatten sich um einen Greis geschart, der mit zusammengebissenen Zähnen unverständliche Flüche in einer Sprache herausschleuderte, die ein wenig nach Altkaiserlich klang, und dabei einen Speer mit beiden Händen schwang. Tempel erkannte schnell, dass er blind war. Die Söldner sprangen hin und her. Wenn sich der Alte umwandte, stieß ihn einer mit seiner Waffe in den Rücken,

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