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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Union.«
    Lorsen schüttelte sich mit deutlich zur Schau gestelltem Ekel. »Das ist eine Welt, in der ich das Leben nicht ertragen würde.«
    Der Alte grinste. »Und trotzdem sind Sie hier. Hat Jubair seine Stellung bezogen?«
    »Mehr oder weniger«, grunzte Brachio. »Wir warten auf sein Zeichen.«
    Lorsen holte durch die zusammengebissenen Zähne Luft. Eine Gruppe von Irren, die auf das Zeichen des Verrücktesten wartete.
    »Es ist nicht zu spät.« Sufeen sprach betont leise, damit die anderen ihn nicht hören konnten. »Wir können das verhindern.«
    »Warum sollten wir?« Jubair zog seinen Säbel; dabei sah er die Angst in Sufeens Augen und empfand sowohl Mitleid als auch Verachtung für ihn. Angst wurde aus Hochmut geboren. Aus der Überzeugung, dass nicht alles Gottes Wille war, sondern dass man Dinge ändern konnte. Aber man konnte nichts ändern! Das hatte Jubair schon vor vielen Jahren erkannt. Seitdem waren er und die Angst einander völlig fremd. »Das ist Gottes Wille«, sagte er.
    Die meisten Menschen wollten diese Wahrheit nicht sehen. Sufeen starrte ihn an, als sei er verrückt. »Wieso soll es Gottes Wille sein, die Unschuldigen zu strafen?«
    »Es ist nicht an Ihnen, über Unschuld zu befinden. Und es ist auch nicht jedem Menschen gegeben, Gottes Pläne zu verstehen. Wenn er wünscht, dass jemand gerettet wird, dann muss er nur meinen Säbel beiseiteschieben.«
    Sufeen schüttelte langsam den Kopf. »Wenn das Ihr Gott ist, dann glaube ich nicht an ihn.«
    »Was wäre er für ein Gott, wenn es für ihn den geringsten Unterschied machte, ob Sie an ihn glauben oder nicht? Oder ich oder sonst jemand?« Jubair hob die Klinge, und fleckiges Sonnenlicht schimmerte auf der langen, geraden Schneide, brach sich an den vielen Scharten und Rillen. »Auch wenn Sie nicht an diesen Säbel glauben, er wird Sie trotzdem treffen. Er ist Gott. Wir alle wandeln auf seinem Weg, ob es uns gefällt oder nicht.«
    Sufeen schüttelte erneut den kleinen Kopf, als ob das etwas ändern würde. »Welcher Priester hat Sie das gelehrt?«
    »Ich habe gesehen, wie es in der Welt zugeht, und für mich selbst darüber geurteilt, wie diese Welt ist.« Er sah über die Schulter zu seinen Männern, die sich im Wald sammelten, Rüstungen und Waffen einsatzbereit, mit begierigen Gesichtern. »Sind wir bereit zum Angriff?«
    »Ich war da unten.« Sufeen deutete auf Handelsguth hinter den Büschen. »Sie haben drei Konstabler, und zwei davon sind Idioten. Ich bin mir nicht sicher, ob etwas so Drastisches wie ein Angriff wirklich erforderlich ist. Sie etwa?«
    Es stimmte, dass es nur wenige Verteidigungsmaßnahmen gab. Die Stadt war einmal von einer Umzäunung aus roh behauenen Stämmen umschlossen worden, aber die hatte man teilweise abgerissen, als mehr und mehr Platz erforderlich geworden war. Das Dach des hölzernen Wachtturms war mit Moos bewachsen, und jemand hatte eine Wäscheleine an einem Stützpfeiler festgemacht. Die Geister waren schon lange aus dem Land vertrieben worden, und ganz offensichtlich rechneten die Stadtbewohner mit keiner anderen Bedrohung. Nun, sie würden schon bald feststellen, dass sie damit falsch gelegen hatten.
    Jubairs Blick wanderte zu Sufeen. »Ihr Gejammer hängt mir zum Hals heraus. Geben Sie das Signal.«
    Widerstreben war in den Augen des Kundschafters zu lesen, auch Bitterkeit; aber er gehorchte, zog den Spiegel hervor und kroch zum Waldrand, um Cosca und den anderen das verabredete Zeichen zu geben. Das war gut für ihn. Hätte er nicht gehorcht, dann hätte Jubair ihn vermutlich umgebracht.
    Er legte den Kopf in den Nacken und lächelte in den blauen Himmel hinter den schwarzen Ästen und den schwarzen Blättern. Er konnte alles tun, und es wäre richtig, denn er hatte sich zur willigen Marionette von Gottes Absichten gemacht und sich auf diese Weise befreit. Er allein, frei, umgeben von Sklaven. Er war der beste Mensch in ganz Naheland. Der beste Mensch im Weltenrund. Er hatte keine Angst, denn Gott war mit ihm.
    Gott war überall, immer.
    Wie hätte es anders sein können?
    Nachdem er sich überzeugt hatte, dass er nicht beobachtet wurde, zog Brachio das Medaillon aus seinem Hemd und ließ es aufspringen. Die zwei winzigen Porträts waren ausgeblichen und voller Blasen, und sie hätten für andere Augen vielleicht nur Farbflecke dargestellt, aber Brachio kannte sie. Er berührte die Gesichter sanft mit der Fingerspitze, und in seinem Kopf waren sie genauso wie damals, als er gegangen war – weich,

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