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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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zu bekommen, was sie nun mit vollen Händen wegwarf. Die nächste Handvoll stopfte sie sich in die Tasche – wenn sie schon sterben musste, dann wenigstens als reiche Frau. Gleich darauf warf sie wieder Geld mit beiden Händen zum Wagen hinaus, schubste den leeren Sack beiseite und holte Nachschub.
    Der Wagen rumpelte über eine Furche und schleuderte sie durch die Luft, schlug sie mit dem Kopf gegen die niedrige Decke und warf sie auf den Boden. Kurz drehte sich alles, dann rappelte sie sich wieder auf und schleppte den nächsten Sack an die aufschwingenden, hin und her schlagenden Türen, stieß knurrende Flüche gegen den Wagen und die Decke und ihren blutenden Kopf aus. Sie klammerte sich wieder an das Gitter und stieß mit dem Fuß den ganzen Sack hinaus, der prompt auf dem Schnee aufplatzte und Gold über das flache, leere Land rollen ließ.
    Ein paar Reiter hatten angehalten, einer war bereits abgestiegen und suchte auf allen vieren nach Münzen, und ihre Umrisse wurden schnell kleiner. Aber die anderen folgten ihnen trotzdem; offenbar waren sie entschlossener, als sie gehofft hatte. So war das eben mit Hoffnungen. Fast konnte sie das Gesicht des Söldners schon erkennen, der ihnen am nächsten war und der sich tief über den wippenden Kopf seines Pferdes gebeugt hatte. Sie ließ die Türen offen hin und her schwingen und kletterte die Leiter wieder hinauf, zog sich erneut aufs Dach.
    »Folgen sie uns noch?«, schrie Tempel.
    »Ja!«
    »Was machst du?«
    »Ein kleines Schläfchen, bevor sie uns erreichen!«
    Der Wagen rumpelte jetzt über unebenes Land. Die Ebene war von kleinen Bachläufen durchzogen und mit Felsbrocken und Säulen aus schiefem Fels übersät. Die Straße führte in ein flaches Tal, dessen Steilhänge nun verschwommen an ihnen vorüberglitten, und die Räder ratterten lauter denn je. Scheu wischte sich mit dem Handrücken das Blut von der Stirn, arbeitete sich auf dem schwankenden Dach wieder nach hinten, nahm den Bogen zur Hand und legte einen Pfeil auf. Dann verharrte sie kurz in der Hocke und holte tief Luft.
    Besser, man tut es gleich, als sich lange davor zu fürchten. Besser, man tut es.
    Sie erhob sich. Der vorderste Reiter war keine fünf Schritt von den schlagenden Türen entfernt. Er sah sie, seine Augen weiteten sich, er hatte blondes Haar und ein breites Kinn und vom Wind gerötete Wangen. Wenn sie sich recht erinnerte, dann hatte sie ihn in Leuchtberg gesehen, als er einen Brief schrieb. Er hatte dabei geweint. Sie schoss seinem Pferd einen Pfeil in die Brust. Das Tier warf den Kopf zurück, blieb mit einem Bein am anderen hängen, und dann stürzten Pferd und Reiter, überschlugen sich mehrmals, Riemen und Geschirr verhedderten sich, und die anderen schwärmten um den Verunglückten herum, während sie sich duckte, um den nächsten Pfeil aufzulegen, und glaubte, Tempel etwas murmeln zu hören.
    »Betest du?«
    »Nein!«
    »Dann fang besser mal damit an!«
    Sie richtete sich wieder auf, und nun schlug ein Pfeil direkt neben ihr ins Holz. Ein Reiter, der sich am Rand des Tals schwarz von dem Himmel abhob, war mit ihnen auf einer Höhe, die Hufe seines Pferdes ganz verschwommen, und er hatte sich mit meisterlicher Geschicklichkeit in seinen Steigbügeln aufgerichtet und spannte schon wieder den Bogen.
    »Scheiße!« Sie ließ sich fallen, und der Pfeil flog über ihren Kopf und drang in die Brustwehr auf der anderen Seite. Einen Augenblick später steckte noch einer daneben. Sie konnte jetzt die übrigen Reiter hören, die sich direkt hinter dem Wagen etwas zuriefen. Als sie den Kopf hob, um über die Begrenzung zu gucken, bohrte sich der nächste Pfeil ins Holz, und die Spitze guckte keine Handbreit von ihrem Gesicht entfernt zwischen zwei Brettern hindurch, woraufhin sie sich hastig wieder duckte. Sie hatte schon Geister gesehen, die verdammt gut vom Rücken eines Pferdes schießen konnten, aber jemanden, der so gut war, hatte sie noch nie erlebt. Es war einfach verdammt unfair. Aber Fairness ist bei einem Kampf um Leben und Tod ohnehin nie ein anwendbares Prinzip.
    Sie nockte einen Pfeil ein, holte tief Luft und hob ihren Bogen über die Brüstung. Sofort surrte ein Pfeil zwischen Bogenholz und Sehne hindurch, und jetzt sprang Scheu auf. Zwar war sie nicht annähernd so gut mit einem Bogen wie er, aber das war auch gar nicht nötig. Ein Pferd gibt ein ziemlich großes Ziel ab.
    Ihr Pfeil bohrte sich bis zur Befiederung in die Rippen des Tiers, das sofort aus dem Tritt kam und
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