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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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Mädchen laufen lassen? Das könnten Sie doch tun.«
    Brachio warf Scheu einen grimmigen Blick zu, die gegen die Steilwand gesunken war und nun schweigend dasaß. »Das wäre mir recht. Sie können es mir glauben oder nicht, mir macht es keinen Spaß, Frauen zu töten.«
    »Natürlich nicht. Sie wollen sicher nicht mit der Erinnerung an solche Dinge zu Ihren Töchtern zurückkehren.« Brachio bewegte unangenehm berührt die Schultern, die Messer rutschten über seinem Bauch hin und her, und Tempel spürte, dass sich da ein Spalt aufgetan hatte, in den er sich hineinkrallen konnte. Er fiel im Schnee auf die Knie, faltete die Hände und schickte ein stilles Gebet gen Himmel. Nicht für sich, aber für Scheu. Sie verdiente es wirklich, gerettet zu werden. »Es war alles meine Idee. Meine ganz allein. Ich habe sie dazu überredet. Sie wissen, wie schrecklich überzeugend ich sein kann, und sie ist so leicht beeinflussbar wie ein kleines Kind, das arme Ding. Lassen Sie sie laufen. Sie werden sich langfristig besser fühlen. Lassen Sie sie gehen.«
    Brachio hob die Augenbrauen. »Das ist tatsächlich sehr bewegend. Ich hatte eigentlich erwartet, Sie würden die Frau für die ganze Geschichte verantwortlich machen.«
    »Ich bin auch ganz gerührt«, stimmte ihm der Mann mit dem Flachbogen zu.
    »Wir sind ja alle keine Ungeheuer.« Brachio hob die Hand und tupfte sich eine Träne von seinem nässenden Auge. Das andere blieb jedoch völlig trocken. »Aber sie hat versucht, uns zu bestehlen, egal wessen Idee das war, und dann noch der Ärger, den ihr Vater gemacht hat … Nein. Cosca würde das nicht verstehen. Und es ist ja nicht zu erwarten, dass Sie sich irgendwann einmal für diesen Gefallen erkenntlich zeigen würden, nicht wahr?«
    »Nein«, murmelte Tempel. »Nein, wahrscheinlich nicht.« Er suchte nach irgendetwas, das er jetzt noch sagen konnte, um das Unvermeidliche zumindest noch ein wenig aufzuschieben. Komisch. Dabei war es ja nicht so, dass er sich gerade besonders wohl fühlte. »Würde es etwas nützen, wenn ich sagte, dass ich sehr betrunken war?«
    Brachio schüttelte den Kopf. »Das waren wir alle.«
    »Beschissene Kindheit?«
    »Meine Mama hat mich oft in einem Schrank eingesperrt.«
    »Beschissene Jugend?«
    »Wer hat die nicht?« Brachio trieb sein Pferd wieder ein wenig voran, und sein großer Schatten fiel auf Tempel. »Stehen Sie also auf, ja? Ich möchte es gern schnell hinter mich bringen.« Er bewegte die Schulter seines Schwertarms. »Wir wollen doch beide nicht, dass ich wie ein Metzger auf Sie einhacke.«
    Tempel sah zu Scheu, die blutverschmiert und erschöpft dasaß. »Was hat er gesagt?«, fragte sie.
    Er zuckte müde die Achseln. Sie erwiderte das mit einem müden Nicken. Sogar sie schien ihren Kampfgeist verloren zu haben. Zögernd richtete er sich auf und sah zum Himmel hinauf. Ein unauffälliger gräulicher Himmel. Wenn es einen Gott gab, dann war er ein humorloser Bankier. Ein blutleerer Pedant, der alle Schulden in einem kosmischen Kassenbuch ausstrich. Sie alle borgten bei Ihm, und am Schluss mussten sie bezahlen.
    »Ist nicht persönlich gemeint«, sagte Brachio.
    Tempel schloss die Augen, und die Sonne schien rosa durch seine Augenlider. »Es ist schwer, das nicht persönlich zu nehmen.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    Ein rasselndes Geräusch ertönte. Tempel zuckte zusammen. Er hatte immer davon geträumt, dem Tod einigermaßen würdevoll entgegenzusehen, so wie Kahdia es getan hatte. Aber Würde erfordert eine gewisse Übung, und die hatte Tempel nicht. Er konnte sich nicht dazu bringen, ruhig stehen zu bleiben, ohne zu zucken. Er fragte sich, wie sehr es wehtun würde, wenn einem der Kopf abgeschlagen wurde. Fühlte man das? Er hörte mehrfach ein Klicken, dann ein Stöhnen, und er wand sich noch mehr. Natürlich würde man es fühlen, es konnte doch gar nicht anders sein. Brachios Pferd schnaubte, scharrte mit den Hufen, und dann fiel ein Säbel mit metallischem Klappern zu Boden.
    Tempel klappte ein Auge auf. Brachio sah nach unten und machte ein überraschtes Gesicht. Ein Pfeil steckte in seinem Hals, zwei in seiner Brust. Er öffnete den Mund und sabberte Blut auf sein Hemd, dann kippte er langsam aus dem Sattel und fiel bäuchlings neben Tempels Stiefel, der eine Fuß hing noch im Steigbügel fest.
    Tempel sah sich um. Der Mann mit dem Flachbogen war verschwunden. Sein Reittier stand friedlich und reiterlos oben am Rand der Schlucht.
    »Das ist mal eine Überraschung«,
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