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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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Curnsbick holte Männer heran, die in seinem Auftrag bauten und gruben und die Hochöfen befeuerten. Sie waren sauberer, ruhiger und nüchterner als jene, die man in Knick gewöhnt gewesen war, aber auch sie brauchten Unterhaltung.
    »Die Zeiten ändern sich, was?« Sie hob ihr Glas und prostete einem unsichtbaren Gegenüber zu. Papa Ring vielleicht. Oder vielleicht auch ihrem eigenen Ich aus der Zeit, als sie noch einen Namen hatte. Dann entdeckte sie etwas hinter dem verzerrten Fenster ihres Glases und ließ es sinken. Zwei Reiter kamen die Hauptstraße herunter, die offenbar einiges durchgemacht hatten; einer hielt sich den verletzten Arm. Es war diese junge Frau, Scheu Süd. Sie und Tempel, der Rechtskundige.
    Hochwürden runzelte die Stirn. Nach zwanzig Jahren voller Katastrophen konnte sie Gefahr auf zwanzig Schritt Entfernung riechen, und ihre Nase kribbelte jetzt wie wild, als die beiden Reiter vor ihrer Tür anhielten. Tempel rutschte von seinem Pferd, fiel in den Dreck, rappelte sich wieder auf und half Scheu herunter, die heftig humpelte.
    Hochwürden leerte ihr Glas und lutschte sich den Alkohol von den Zähnen. Als sie durch ihre Räumlichkeiten schritt und sich den Kragen bis an den Hals zuknöpfte, sah sie zu dem Schrank hinüber, in dem sie die gepackte Reisetasche aufbewahrte, und fragte sich, ob sie wohl heute zum Einsatz kommen würde.
    Manche Leute brachten nichts als Ärger. Nicomo Cosca war so einer. Lamm auch. Und dann gab es Leute, die zwar an sich harmlos waren, den Ärger aber geradezu magisch anzogen. Zu denen, das hatte sie immer schon vermutet, gehörte Tempel. Und wenn sie ihn jetzt ansah, als sie die Treppe hinunterrauschte, wie er in ihrer leider so verlassenen Spielhalle am Tresen lehnte, dann war sie sich sicher. Seine Kleider waren zerrissen und blutbesudelt und staubig, sein Gesichtsausdruck verzerrt, und seine Brust hob und senkte sich heftig.
    »Sie sehen aus, als hätten Sie es sehr eilig gehabt«, sagte sie.
    Er sah auf, und ein klein wenig Schuldbewusstsein stand in seinen Augen. »Das kann man so sagen.«
    »Und hätten auf dem Weg ein wenig Ärger bekommen.«
    »Das kann man auch so sagen. Könnte ich wohl etwas zu trinken bekommen?«
    »Können Sie bezahlen?«
    »Nein.«
    »Ich bin kein Wohlfahrtsunternehmen. Was machen Sie hier?«
    Er brauchte einen kleinen Augenblick, um sich zu sammeln, und dann präsentierte er, wie ein Zauberer seinen besten Trick, unvermittelt einen völlig aufrichtigen Gesichtsausdruck. Bei Hochwürden klingelten alle inneren Alarmglöckchen. »Ich weiß nicht, wo ich sonst hinkönnte.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben?« Sie kniff die Augen zusammen.
    »Wo ist Cosca?«
    Er schluckte. »Komisch, dass Sie das fragen.«
    »Ich lache aber nicht.«
    »Nein.«
    »Also ist es nicht komisch?«
    »Nein.« Er legte den aufrichtigen Blick wieder ab und wechselte zu einem Ausdruck schlichter Angst. »Ich würde vermuten, er ist höchstens ein paar Stunden hinter uns.«
    »Er kommt hierher?«
    »Davon gehe ich aus.«
    »Mit all seinen Leuten?«
    »Mit denen, die noch übrig sind.«
    »Und wie viele sind das?«
    »Ein paar sind in den Bergen gestorben, jede Menge desertiert …«
    »Wie viele?«
    »So um die Hundert, würde ich sagen.«
    Hochwürdens Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen, als sie die Fäuste ballte. »Und der Inquisitor?«
    »Der war noch sehr präsent, soweit ich weiß.«
    »Was wollen sie?«
    »Der Inquisitor möchte sich in eine neue Welt foltern.«
    »Und Cosca?«
    »Cosca will einen uralten Goldschatz, den er dem Drachenvolk geraubt hat, und den …« Tempel zupfte nervös an seinem ausgefransten Kragen. »Den ich ihm gestohlen habe.«
    »Und wo ist dieser zweimal entwendete Schatz jetzt?«
    Tempel verzog das Gesicht. »Wieder gestohlen. Diese Frau, Corlin, hat ihn genommen. Wie sich herausgestellt hat, ist sie die Rebellenführerin Conthus. Es war ein Tag voller Überraschungen«, schloss er etwas lahm.
    »So … scheint … es«, flüsterte Hochwürden. »Wo ist Corlin?«
    Tempel flüchtete sich in dieses hilflose Achselzucken, das er so gern zeigte. »Wohin der Wind weht.«
    Hochwürden hatte für dieses Achselzucken nicht besonders viel übrig. »Ich habe keine Männer, um gegen sie zu kämpfen«, sagte sie. »Und kein Geld, um sie zu bestechen, damit sie wieder gehen. Ich habe keinen uralten Schatz für diesen Idioten Nicomo Cosca und schon gar keine schöne neue Welt für den
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