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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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wichtiger Mann, der wichtige Dinge zu tun hatte, und kein Kinderräuber und Mörder und absoluter Abschaum. Ihr kam es so vor, als ob er sich absichtlich mit Leuten umgab, die noch weiter heruntergekommen waren, damit er in dieser Gesellschaft dann möglichst hübsch hervorstach. Nachts ließ er ein riesiges Feuer anschüren, weil er gern Dinge brennen sah, und er trank, und wenn er erst mal mit dem Trinken angefangen hatte, dann bekam sein Mund einen bitteren Zug, und er fing an, sich über alles Mögliche zu beklagen. Darüber, dass das Leben nicht gerecht sei, dass ihn ein Bankier um eine Erbschaft gebracht hatte und dass die Dinge nie so liefen, wie er es sich vorstellte.
    Sie hatten einen Tag an einem breiten, fließenden Gewässer gelagert, und Ro hatte ihn gefragt: »Wohin bringt ihr uns?« »Flussaufwärts«, hatte er geantwortet. Ein Kielboot war am Ufer festgemacht gewesen, und dann waren sie tatsächlich den Fluss hinauf gefahren. Sehnige, kräftige Männer bewegten das Boot mit Staken, Schleppleinen und Riemen voran, und die flachen Ufer glitten vorüber. Ganz, ganz weit im Norden hoben sich im Dunst drei blaue Bergspitzen vor dem Himmel ab.
    Ro dachte zuerst, es würde eine Erleichterung sein, nicht mehr reiten zu müssen, aber nun konnten sie nichts weiter tun als herumzusitzen. Sie hockten unter einem Sonnensegel im vorderen Teil des Schiffes, sahen zu, wie das Wasser und das Land an ihnen vorüberglitten und sie sich dabei immer weiter und weiter von ihrem alten Leben entfernten. Es wurde immer schwerer, sich an die Gesichter der Leute, die sie daheim gekannt hatten, zu erinnern, und schließlich erschien ihnen die Vergangenheit wie ein Traum, die Zukunft wie ein unbekannter Albtraum.
    Schwarzspitz zog hin und wieder mit seinem Bogen los, begleitet von ein paar anderen, und kam dann mit Fleisch zurück, das sie erjagt hatten. Den Rest der Zeit saß er herum und rauchte, beobachtete die Kinder und grinste stundenlang ununterbrochen. Wenn Ro die beiden fehlenden Vorderzähne in seinem Grinsen sah, dann musste sie daran denken, wie er Gully erschossen und ihn mit Pfeilen gespickt von diesem Baum hatte hängen lassen. Und wenn sie daran dachte, hätte sie am liebsten geweint, aber sie wusste, dass sie das nicht durfte, weil sie eine der Ältesten war und die Kleinen darauf zählten, dass sie stark war, und das wollte sie auch sein. Wenn sie nicht weinte, dachte sie, dann war das ihre Art, ihre Entführer zu schlagen. Ein kleiner Sieg vielleicht, aber Scheu hatte immer gesagt: Gewonnen ist gewonnen.
    Nach ein paar Tagen auf dem Boot sahen sie weit draußen hinter dem Grasland, dass da etwas brannte. Rauchwolken stiegen auf und verloren sich in der Endlosigkeit über ihren Köpfen, und die schwarzen Vögel kreisten, kreisten. Der Bootsführer sagte, sie sollten umkehren, er habe Angst vor den Geistern, aber Cantliss lachte nur und rückte sich das Messer im Gürtel zurecht; wie er sagte, gebe es in viel größerer Nähe Dinge, über die ein Mann sich Sorgen machen sollte, und damit war das Gespräch beendet.
    An jenem Abend hatte einer der Männer sie wachgerüttelt und ihr angefangen zu erzählen, dass sie ihn an jemanden erinnerte, und er hatte gelächelt, obwohl da etwas Falsches in seinen Augen war und sein Atem bitter nach Fusel roch, und er hatte sie am Arm gepackt, und dann hatte Pit ihn so doll gehauen, wie er konnte, was allerdings nicht so viel war. Aber Biene war aufgewacht und hatte geschrien, und dann kam Cantliss und schleppte den Mann weg. Schwarzspitz trat ihn, bis er sich nicht mehr bewegte, und dann warf er ihn in den Fluss. Die anderen brüllte Cantliss an, sie sollten gefälligst die Ware in Ruhe lassen und besser ihre beiden Hände benutzen, denn er würde nicht zulassen, dass ihm irgendein Arschloch den Preis versaute, darauf könnten sie sich alle verlassen.
    Sie wusste, dass sie niemals so etwas hätte sagen sollen, aber sie konnte sich einfach nicht mehr länger beherrschen, und so platzte sie heraus: »Meine Schwester folgt uns, darauf kannst du dich verlassen, wenn du dich überhaupt auf irgendwas verlassen willst! Die wird dich finden!«
    Erst hatte sie gedacht, Cantliss würde sie schlagen, aber dann sah er sie bloß an, als sei sie das neueste Elend, mit dem er sich herumplagen musste, und sagte: »Kleine, die Vergangenheit ist vorbei so wie das Wasser, das an uns vorüberfließt. Je schneller du sie aus deinem Spatzenhirn verdrängst, desto besser wird’s dir gehen. Du hast

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