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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nevada Barr
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stocherte in dem Kothaufen herum und förderte einige rötliche Fetzen zutage. »Papier. Vielleicht hat er in einem Rucksack herumgewühlt. Oder in einem Toilettenhäuschen. Es ist zwar verboten, aber die Leute kippen ihren Müll manchmal in die Toiletten auf den Zeltplätzen, anstatt ihn wieder mitzunehmen. Damit locken sie Bären an. Unser Freund könnte sich auch über einen Abfalleimer hergemacht haben. Seht ihr das? Wahrscheinlich Alufolie.« Joan musterte nachdenklich den Kot. Anna schlug nach den Fliegen, die versuchten, sich in dem Schweiß auf ihren Schläfen zu suhlen. »Hast du in den Berichten etwas von Bären im Müll oder auf einem Zeltplatz gelesen?«, wandte sich Joan nach einer Weile an sie.
    Anna musste verneinen.
    »Nun denn«, meinte Joan. »Es könnte ein abgelegenes Toilettenhäuschen sein, das die Wildhüter schon seit ein paar Tagen nicht mehr kontrolliert haben.« Sie wirkte besorgt. Einer ihrer zweihundert Kilo schweren Schützlinge hatte sich danebenbenommen. Ihre Befürchtungen waren angesichts der Strafen, die Menschen oft schon wegen des kleinsten Regelverstoßes über andere Arten verhängten, nicht unbegründet.
    Joan rührte noch ein wenig in dem Haufen herum. »Diese Klumpen sind meiner Ansicht nach Trockenfutter für Hunde oder Pferde. Bären haben keine sehr gründliche Verdauung. Manchmal rutscht die Nahrung einfach in ihrer ursprünglichen Form durch sie hindurch. Seht ihr? An diesem Futterstück erkennt man noch die Kante. Kaum abgeschliffen. Grizzlys legen zwar weite Strecken zurück, aber es ist davon auszugehen, dass unser Freund seine Diebesbeute innerhalb des Parks ergattert hat. Diese Falle befindet sich zu weit von den Grenzen entfernt, als dass er sie sonst hier hätte ausscheiden können. Also hat er sich gewissermaßen vor Ort eingedeckt.«
    Wissenschaftler lebten von Details. Anna hatte zwar Verständnis für die Notwendigkeit dieses Denkens, konnte ihm jedoch nur wenig abgewinnen. »Muss wohl so sein«, meinte sie und wandte sich wieder dem Fellsammeln zu.
    * * *
    Die neue Falle, die in Sektor vierundsechzig aufgestellt werden sollte, war auf dem Papier knapp viereinhalb Kilometer Luftlinie entfernt von ihrer Vorgängerin eingezeichnet. Die Fallen ab- und wieder aufzubauen, war eine Sache von ein bis zwei Stunden. Was die eigentliche Zeit und Energie von Anna, Joan und Rory fraß, war, ihre ganz und gar nicht vogelähnlichen Körper zum nächsten Standort zu bewegen.
    Anna war zwar genauso erschöpft wie am ersten Tag, schaltete aber allmählich auf Wildnismodus um. Schmerzen ließen nach oder verschwanden, als ihre Muskeln einsahen, dass Jammern zwecklos war, weshalb Anna immer mehr Spaß an der Sache fand. Am Westhang des Flattop Mountain, noch immer in verbranntem Terrain und weitab von ausgebauten Wanderwegen, Seen, Gletschern und anderen Touristenattraktionen, war die Einsamkeit vollkommen. Sie folgten wenn möglich Wildpfaden und kletterten ansonsten über das Geröll am Felshang.
    Immer wieder stießen sie unvermittelt auf verborgene Gärten von einer solchen Schönheit, dass Anna anfing, an Magie zu glauben. Auf einigen der steilen Felshänge war die Erdschicht zu dünn für Bäume, weshalb das Feuer sie übersprungen und die Simse nicht verbrannt hatte. Weiße und goldene Felsen, eingerahmt von violettem Fettkraut, Bocksfeige und zartgelbem Steinkraut bildeten ein prächtiges Farbenmeer in dieser trostlosen Landschaft.
    Als sie in einer dieser Oasen eine Mittagspause einlegten, machte Joan ihre Begleiter auf eine aufgewühlte Stelle aufmerksam. Die verkohlte Erde wies eine mehr oder weniger viereckige Grube von zweieinhalb Metern Kantenlänge auf.
    »Hier haben Bären Gletscherlilien ausgegraben«, erklärte sie.
    Froh, ihren Rucksack los zu sein und ein paar Minuten lang tun und lassen zu können, was ihr gefiel, schlenderte Anna, in der Hoffnung, ein paar deutliche Tatzenabdrücke zu finden, zu dem Loch hinüber. Doch anstelle von Bärenspuren entdeckte sie die von Stiefeln. Das Loch selbst hatte scharfe Ränder, die nur von einer Schaufel stammen konnten.
    »Ich glaube, jetzt weiß ich, was Geoff Mickleson-Nicholson vorhatte«, rief sie den anderen zu. Als Joan sich zu ihr gesellte, wies Anna sie auf ihren Fund hin.
    »Schöner Mist«, meinte Joan. »Hier hat eindeutig jemand gegraben. Allerdings beweist nichts, dass es unser Freund war.«
    »Ha«, höhnte Anna.
    »So etwas kommt vor«, fügte Joan hinzu.
    Anna war das bekannt. Besucher verschönerten

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