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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nevada Barr
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sollte jemand so etwas tun?«
    »Das bringt es auf den Punkt«, erwiderte Anna.
    Da die Sache erschöpfend abgehandelt war, schleppte sich das Gespräch noch eine Weile dahin. Ron zögerte den Besuch so lange wie möglich hinaus, denn die Schicht von vier bis Mitternacht konnte tödlich langweilig sein. Kurz nach zehn gelang es Anna und Joan, ihn zur Tür hinaus zu gähnen. Kurz darauf gönnten sie sich tatsächlich den unvergleichlichen Luxus einer Matratze mit sauberen Laken und trockenen Decken und eines Daches über dem Kopf.
    Um acht saßen beide Frauen in einem Konferenzraum auf dem gleichen Flur wie Harry Ruicks Büro. Anna füllte ein Aussageformular aus und schilderte in knappen Worten, was sie im Zusammenhang mit dem Mord an Carolyn Van Slyke erlebt und beobachtet hatte. Unterdessen brütete Joan über Berichtsformularen, in denen es um den Bärenangriff auf ihr Lager und ihre Rolle bei der Suche nach Rory ging. Joan hätte diese Arbeit mühelos – vermutlich um einiges müheloser – in ihrem gemütlichen Büro erledigen können. Das Gebäude, in dem die Parkverwaltung untergebracht war, hatte zwar schon bessere Zeiten gesehen und bot weniger Komfort, besaß aber beträchtlich mehr Charme als die aus Backstein gemauerte Zentrale.
    Doch sie hatte sich erboten, Anna zu begleiten, um ihr Gesellschaft zu leisten. Anna vermutete, dass sie außerdem wissen wollte, ob es, was Rorys Beteiligung – oder Nicht-Beteiligung – am Mord an seiner Stiefmutter betraf, neue Informationen gab. Ruick hatte in diesem Zusammenhang zwar nichts Neues zu vermelden gehabt, aber Joan hielt ihr Versprechen und blieb bei Anna, bis sie mit den Formularen fertig waren. Anschließend ging Anna zu ihrer Besprechung mit Ruick.
    Das Büro des Polizeichefs befand sich einige Türen weiter auf der rechten Seite des Flurs. Sein Fenster bot eine wenig inspirierende Aussicht auf den Parkplatz hinter dem Gebäude.
    Wie in Joans Haus fühlte Anna sich hier sofort heimisch. An den Wänden hingen Poster der Parks, in denen Harry gearbeitet hatte, in billigen Rahmen. Die Fotos daneben zeigten einen jüngeren und schlankeren Harry, der zusammen mit gleichgesinnten in Fleece und Wolle gehüllten Männern von Berggipfeln hinunter in den eiskalten Wind grinste. Die allgegenwärtigen Aktenschränke aus Metall wurden von Schießtrophäen, ungewöhnlich geformten Felsstücken und Knochen geziert.
    Ruick saß an einem grauen Metallschreibtisch und arbeitete den Papierstapel durch, der sich während der Exkursion in seiner Aktenablage angesammelt hatte. Da die Tür offen stand, klopfte Anna an den Türrahmen.
    »Herein«, sagte er und blickte auf, um festzustellen, wer der Besucher war. Als er sie erkannte, legte er die Papiere weg und schenkte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Anna fühlte sich geschmeichelt und war gleichzeitig ein wenig erschrocken, denn es war selten, dass er sich von seinen Verwaltungsaufgaben ablenken ließ, um sich ganz und gar mit seinem Gegenüber zu beschäftigen. Also nahm sie auf dem armlehnenlosen Besucherstuhl aus Metall Platz und wartete auf die Erleuchtung.
    »Ich habe ein kleines Problem und hoffe, dass Sie mir in dieser Sache helfen können. Momentan habe ich zu wenig Leute. Wie Sie wissen, sind zwei meiner Bezirksranger und vier weitere Parkpolizisten in Kalifornien, um die Waldbrände in Miranda zu bekämpfen.«
    Weil Anna einige Tage in der Wildnis verbracht hatte, hatte sie nichts von dieser Feuersbrunst gehört, wunderte sich allerdings nicht darüber. Im August brannten in Kalifornien meistens große Flächen. Die hohe Lage und die Trockenheit führten dazu, dass die Wälder rasch in Flammen aufgingen, und zwar zu oft in der Nähe dicht besiedelter Gebiete.
    Ruick musterte sie. Deshalb sagte sie gehorsam ja zu allem, zu dem er ihr Einverständnis voraussetzte.
    »Die Sache ist die, dass das Feuer bereits eingedämmt war und schwächer wurde. Deshalb sollte die Mannschaft aus dem Glacier eigentlich wieder nach Hause geschickt werden. Ich habe heute oder spätestens morgen mit den Leuten gerechnet. Doch während ich gestern in der Sache Van Slyke auf dem Flattop Mountain war, ist das Feuer in Miranda wieder ausgebrochen, hat die Barrieren übersprungen und weitere dreieinhalb Quadratkilometer Land verwüstet.« Sein Ton war ein wenig vorwurfsvoll. Anna hatte den Verdacht, dass das Feuer in Miranda es Ruicks Ansicht nach nie gewagt hätte, sich so grob danebenzubenehmen, wenn er nicht anderweitig beschäftigt

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