Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
einzugehen, neigte er den Kopf und murmelte:
»Ich fürchte, uns bleibt keine andere Wahl als uns diese … Gebilde näher anzusehen.«
Als Abu Dun ihn fragend ansah, begriff Andrej, dass seine
Worte nicht verstanden worden waren. Seine Lippen waren taub
vor Kälte, und seine Stimme versickerte in der eiskalten Luft.
Ihm wurde klar, dass er seine Kräfte sammeln musste, wollte er
nicht Gefahr laufen, den Kampf gegen die Kälte und die mit ihr
einhergehende Lähmung zu verlieren. Es gab nicht vieles, was
Abu Dun und ihm wirklich gefährlich werden konnte, aber Kälte
gehörte ganz eindeutig dazu.
»Aber da war etwas«, beharrte der Nubier mit der Stimme
eines nörgeligen Kindes. »Ich habe etwas gesehen.«
»Ja, ich auch«, knurrte Andrej. »Sogar mehr, als mir lieb ist.«
Er zuckte mit den Schultern und machte eine deutende Geste in
das weiße Schneegestöber hinein, die er sofort bereute, musste
er doch die Hand unter dem schützenden Mantel hervorstrecken,
der dem Wind offensichtlich doch mehr Einhalt gebot, als ihm
bewusst gewesen war. Seine Finger schienen zu Eis zu erstarren,
kaum, dass er sie den Reißzähnen des Sturmes ausgesetzt hatte.
»Vielleicht ist es doch besser, wenn ich das Kommando
übernehme … da es doch hier keinen Fluss gibt.«
»Wie Ihr befehlt, Sahib«, antwortete Abu Dun geflissentlich.
»Ich bin ja nur ein armer, dummer Mohr, und …«
»Du bist nicht arm«, unterbrach ihn Andrej. »Und wir werden
hier noch festfrieren, wenn wir weiter herumstehen und
Maulaffen feil halten.« Er versuchte, sein steifes Gesicht zu
einer Grimasse zu verziehen, die Abu Dun als entschuldigendes
Lächeln deuten konnte – wenn er es denn wollte. »Wir sollten
sehen, dass wir weiterkommen.«
»Oh ja«, erwiderte Abu Dun in übertrieben freudigem Tonfall.
»Und wenn Ihr mir verzeiht, Sahib, dass es eine unwürdige
Kreatur, wie ich eine bin, wagt, einen bescheidenen Wunsch zu
äußern, dann würde ich gerne meine Füße an einem prasselnden
Feuer in einem behaglichen Gasthaus wärmen.« Sein Blick
wurde schmal, seine Stimme sanft. »Und wenn Ihr es einem
unwürdigen Kretin wie mir verzeiht, dass er geboren wurde und
auf der gleichen Erde wandelt wie Ihr und sie mit seiner
Anwesenheit besudelt, wäre ich Euch noch mehr verbunden,
könntet Ihr dafür sorgen, dass mich keine schwindsüchtige alte
Jungfer mit der Gesichtsfarbe von gebleichten Kamelknochen
bedient, sondern eine ausgesuchte Schönheit, deren Hautfarbe
der besten Ebenholzes gleicht, und deren Körper nach Rosen
und kostbaren Essenzen duftet. Wäre es Euch vielleicht
möglich, dies mit Euren Hexenkräften zu bewirken?«
Andrej seufzte leise. »Ich fürchte, ich habe mein Zauberbuch
vergessen«, gab er zurück und machte eine herrische Geste, um
dann seine Hand wieder unter dem schützenden Mantel
verschwinden zu lassen. Es nutzte nichts. Die Kälte fand
dennoch ihren Weg. Wenn Abu Dun in einer Verfassung wie
dieser war, war es sinnlos, vernünftig mit ihm reden zu wollen.
Abu Dun war aber auch nicht in der Stimmung, einfach
aufzugeben. »Also«, fuhr er fort. »In welche Richtung wird
mich mein Herr und Gebieter nun führen, falls er sich in seiner
Großmut so weit herablässt, mein unwürdiges Leben zu retten?«
Andrej wandte nun doch den Kopf und sah Abu Dun an –
genauer gesagt, er sah zu ihm hoch. Der Nubier war mindestens
einen Kopf größer als er, obwohl auch Andrej alles andere als
kleinwüchsig war. Dabei war er massig, sodass er schon durch
seine pure Anwesenheit so manchen Feind in die Flucht
geschlagen hatte. Sein tiefschwarzes Gesicht, das so gar nicht
arabisch wirkte, sondern wie das eines Europäers, war
ausdrucklos, was im Moment noch von den glitzernden
Eiskristallen auf seiner Haut unterstützt wurde. Zu seinen Füßen
entstanden zwei allmählich größer werdende Pfützen aus
gefrorenem, wieder tauendem und erneut gefrierendem
Salzwasser. »Ich meine es ernst, Abu Dun«, sagte Andrej. »Du
solltest dich selbst sehen.«
Abu Dun maß ihn mit einem schrägen Blick, in dem aber auch
ein gehöriger Anteil Sorge mitschwang. »Das ist nicht nötig,
Andrej«, sagte er, plötzlich überhaupt nicht mehr spöttisch,
sondern erschrocken. »Ich sehe dich. «
Eine weitere Antwort erschien Andrej mit einem Mal zu
mühsam und anstrengend. Er schüttelte nur den Kopf, sah noch
einmal lange, konzentriert und so vergebens wie das erste Mal in
die Richtung, in die Abu Dun gerade gedeutet hatte. Sein

Weitere Kostenlose Bücher