Blutkrieg
bekamen, die das
schlanke Drachenboot durchschnitt. »Ist dir nicht aufgefallen,
wie seltsam er und die anderen uns ansehen?«, fuhr Abu Dun
fort.
Andrej war in den letzten Tagen vor allem mit den Blasen an
seinen Händen beschäftigt gewesen, die am Anfang rasch größer
geworden und dann geplatzt waren, um zu nässenden Wunden
zu werden, die sein Körper zwar rasch heilte, die aber trotzdem
schneller wiederkamen, als sie verschwanden. Ihm war nichts
aufgefallen, also schüttelte er den Kopf.
»Aber mir«, fuhr Abu Dun fort. »Ich glaube nicht, dass er
vorhat, uns lebend an Land gehen zu lassen.«
Andrej konnte Abu Duns wenig freundliche Gefühle dem
Nordmann gegenüber zwar verstehen, aber er fand trotz allem,
dass der Nubier in seinem Misstrauen zu weit ging, und das
sagte er ihm auch – nachdem er ebenfalls einen raschen
ängstlichen Blick zum Heck der Fenrir geworfen hatte.
»Das Salzwasser muss dir das Gehirn herausgewaschen
haben«, polterte Abu Dun. Er hielt seine Hände in die Höhe, die
ebenso voller Blasen und schwärenden Wunden waren wie
Andrejs. »Wer außer dir und mir hätte das wohl überlebt – auch
nur einen Tag, geschweige denn drei?«
Andrej deutete mit dem Daumen über die Schulter zurück.
»Die da«, sagte er. Bei allem Groll, den auch er Ansen
gegenüber mittlerweile empfand, musste er doch zugestehen,
dass der Kapitän selbst – und auch jeder seiner Männer –
mindestens ebenso kräftig zugepackt hatte wie Abu Dun und er.
Es war schwer, auf dem Meer die Geschwindigkeit eines
Schiffes zu schätzen, und dennoch war ihm aufgefallen, dass die Fenrir, zumal dann, wenn der Wind günstig stand und die
Männer auch das Segel gesetzt hatten, oft wie ein Pfeil über das
Wasser geschossen war.
Abu Dun ließ dieses Argument jedoch nicht gelten. Zornig
schüttelte er den Kopf. »Er wollte, dass wir unterwegs sterben«,
beharrte er. »Und wenn du mich fragst, dann wird er die Sache
eben auf andere Weise erledigen, wenn wir ihm nicht den
Gefallen tun, uns zu Tode zu rudern.«
Andrej sah ihn zwar weiter zweifelnd an, widersprach aber
nicht mehr. Möglicherweise hatte Abu Dun ja zu gleichen
Teilen recht wie unrecht. Es stimmte, dass ihnen nur ihre
überlegenen Kräfte und die Fähigkeit ihrer Körper, Wunden zu
heilen und mit Entbehrungen fertig zu werden, bisher geholfen
hatten, am Leben zu bleiben. Vielleicht galten aber für den
riesigen Nordmann und seine noch viel größeren Begleiter
andere Maßstäbe, und sie begriffen nicht, dass das, was sie für
eine ganz alltägliche Arbeit hielten, für einen normalen
Menschen das Todesurteil bedeutete. Wenn Ansen tatsächlich
vorhatte, das Ende ihrer Reise anders als verabredet zu gestalten,
würde er eine ziemlich unangenehme Überraschung erleben.
»Ich weiß es nicht«, sagte er matt. »Und es ist mir auch egal.
Spätestens morgen bei Sonnenaufgang sind wir wieder an
Land.«
Abu Dun schnaubte verächtlich. »Dieser Kerl ist ein Schinder,
wie er im Buche steht!«, beharrte er. »Ich traue ihm nicht.«
»Das habe ich gehört, schwarzer Mann«, sagte eine Stimme
hinter ihnen.
Andrej und Abu Dun fuhren gleichzeitig und gleichermaßen
erschrocken herum und blickten zu Ansens Gesicht hoch. Der
riesige Nordmann war so vollkommen lautlos hinter sie getreten,
dass sie ihn nicht gehört hatten. Und das, dachte Andrej
alarmiert, obwohl Abu Dun und er zwar nicht imstande waren,
das Gras wachsen zu hören, aber ihre Sinne ungleich schärfer
waren als die normaler Menschen. Er fragte sich, ob Ansen sich
angeschlichen hatte (und wenn ja, wie es ihm überhaupt
gelungen war) oder ob Abu Dun und er mittlerweile so erschöpft
waren, dass sie sich nicht mehr auf ihre Sinne verlassen
konnten. Keine dieser beiden Möglichkeiten gefiel ihm.
Ansen sah zu Andrejs Überraschung kein bisschen verärgert
aus. Ganz im Gegenteil funkelten seine Augen amüsiert, wenn
auch hinter dem struppigen Fell seines Gesichtes kein wirkliches
Mienenspiel abzulesen war. »Ich habe euch auf mein Boot
genommen, gebe euch das beste Essen, und dafür beschimpfst
du mich, kaum dass du glaubst, ich höre es nicht.« Er seufzte,
schüttelte noch einmal den Kopf und bleckte plötzlich die Zähne
zu einem fröhlichen Grinsen. Seine Hand verschwand unter dem
gewaltigen Fellmantel, den er trug, und zuckte so schnell wieder
hervor, dass Andrej erschrocken zusammenfuhr und sich auch
Abu Dun merklich anspannte. Sie hielt jedoch keine Waffe,
sondern einen
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