Blutkult (German Edition)
Verwundeten waren schrecklich, so mancher Leib war durch übermenschliche Muskelkraft regelrecht aufgerissen worden.
Schließlich fand er Etain, die bewusstlos auf einem Strohbett lag. Ihre Wunde war bereits verbunden. Eine Kräuterfrau mit blutbefleckter Schürze beugte sich über sie und tupfte ihr die Stirn mit einem feuchten Tuch.
Als Larkyen an Etains Bett trat, zuckte die Kräuterfrau für einen Moment vor ihm zurück. Noch immer riefen die Unsterblichen eine gewisse Scheu hervor. Wer konnte schon wissen, ob sie an einem von Schmerz und Tod heimgesuchten Ort wie diesem nicht nur ihren Hunger stillen wollten?
Larkyen strich Etain über die Wange, und dass er in seinen Fingern die Lebenskraft der jungen Mutter spüren konnte, beruhigte ihn sehr. Er war sich der wachsenden Zuneigung zu dieser Frau bewusst, deren Wohlergehen ihm wirklich am Herzen lag.
„ Sie wird wieder genesen“, sagte die Kräuterfrau.
„ Ich weiß“, flüsterte er und nickte zufrieden.
Plötzlich erklang ein von schierem Entsetzen erfüllter Schrei Sigurians. Nur wenige Reihen entfernt wich der Heiler vor dem Bett eines Verwundeten zurück. Mit zitternden Fingern deutete er auf den blutüberströmten Mann, der sich in Krämpfen wand.
Ayrus eilte herbei, und die Gesichtszüge des Kyaslaners schienen zu erstarren.
„ Nein“, keuchte Ayrus ungläubig. „Wie ist das möglich!“
Jetzt trat auch Larkyen mit raschen Schritten zu den beiden Heilkundigen.
„ Der Mann heißt Tyran und kam mit einer Bisswunde am Hals zu uns“, berichtete Sigurian, „er sagte, dass ein Strygarer ihn in der Schlacht gebissen habe. Ich säuberte die Wunde, als der Mann sich plötzlich zu verändern begann.“
Tyran war ein Handwerker von stattlicher Größe. An seinem muskulösen Hals waren die Einstiche zweier spitzer Zähne zu erkennen. Die dunklen Haare hingen ihm in Strähnen ins Gesicht.
Abrupt hörten die Krämpfe auf. Tyran lag da wie tot, seine Augen waren glasig und starrten mit leerem Blick an die Decke. Dann öffnete der Mann seinen Mund, um einen unmenschlichen Knurrlaut auszustoßen, dabei entblößte er zwei spitze Eckzähne.
„ Blut“, zischte Tyran. Die Augen des Mannes strahlten nun eine Gier aus, wie sie gewöhnlichen Menschen nicht zu Eigen ist. Das Gesicht mit den männlichen Konturen verzerrte sich zu einer bestialischen Fratze. Ruckartig fuhr Tyran von seinem Bett auf. Mit einem einzigen Faustschlag sandte er Ayrus zu Boden. Als Tyran daraufhin versuchte, sich auf den Kyaslaner zu stürzen, handelte Larkyen rasch und brach dem Mann das Genick.
„ Er ist zu einem Strygarer geworden“, keuchte Ayrus, während er sich vom Boden hochrappelte. „Der Biss muss ihn verwandelt haben.“
Sigurian vergrub sein Gesicht in den Händen. Nachdenklich murmelte er: „Es gibt eine Fledermausart namens Furyaner, deren Schwärme in den tiefsten Höhlen unter Laskun hausen. Ihre Eckzähne sind lang und spitz, bei einem Biss setzen sie damit gleich der Schlange ein Gift frei. Bei den Strygarern scheint es mir ähnlich zu sein.“
„ Wenn sie ihre Eckzähne in die Haut eines Menschen schlagen, übertragen sie also etwas, das ihr Opfer verwandeln kann.“
„ Diese Gefahr betrifft ausschließlich die Menschen“, sagte Larkyen. „Wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann, sind wir Unsterblichen immun, ebenso wie die Tiere. Als ich durch Nemar ritt, wurden mein Pferd und ich mehrfach gebissen und es folgten keinerlei Anzeichen einer Verwandlung. Strygar hat es auf die Menschen abgesehen!“
„ Wir haben noch sechs weitere Verwundete mit Bisswunden.“
„ Führ mich sofort zu ihnen“, forderte Ayrus.
Sigurian tat wie ihm geheißen. Fünf der Verwundeten fanden sie noch auf Strohbetten liegend vor, und die Verwandlung hatte bereits eingesetzt. Noch während die armen Männer und Frauen begannen, sich in Krämpfen zu winden, blieb Larkyen und Ayrus keine andere Wahl, als sie von ihrem Dasein zu erlösen, ehe sie Schaden anrichten konnten.
Der Sechste hingegen war schon dabei, das Haus der Heilung zu verlassen. Der Mann war erst dem Knabenalter entwachsen, und sein Gesicht wies noch immer kindliche Züge auf. In der Helligkeit des Tages hielt er abwehrend beide Hände vor sein Gesicht und brach am Boden zusammen. Längst war eine Kräuterfrau herbeigeeilt, die Sigurians Warnruf ignorierte und zu helfen versuchte. Der Mann wand sich in Krämpfen, öffnete den Mund, und noch während er einen Knurrlaut ausstieß, wuchsen aus seinem
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