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Blutkult (German Edition)

Blutkult (German Edition)

Titel: Blutkult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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Schweigens
     
    Die dicken Wurzeln eines knorrigen Eichenbaumes umrahmten das Tor zur Oberwelt, das fächerförmige Geäst seines schräg gewachsenen Stammes war üppig mit Blättern besetzt und bot zusammen mit den nahen Sträuchern eine natürliche Deckung.
    Es war bereits Nacht, das Mondlicht schickte einen schwachen Schein. Die Gefährten versammelten sich, sie genossen eine gute Sicht auf die umliegende Gegend.
    „ Was ist hier geschehen?“, keuchte Regar plötzlich. „Frathar schläft nie.“ Er deutete hinab in die Dunkelheit. Die Wasseroberfläche des großen Flusses Nefalion glitzerte im Mondschein, und an seinen Ufern zeichnete sich die Stadt lediglich als grauschwarze Masse ab. Aus den Schornsteinen der Häuser drang kein Rauch, die Fenster waren verdunkelt, kein Boot verließ den Hafen.
    „ Über tausend Menschen leben hier“, sagte Regar und seine Stimme zeugte von aufkommender Besorgnis. „Der Hafen ist Tag und Nacht in Betrieb, die Schenken sind immer geöffnet, und die Straßen belebt, die Kamine in den Häusern brennen, doch alles ist still, so totenstill.“
    Larkyen beschlich eine Ahnung, die er nicht auszusprechen wagte. Er hoffte inbrünstig, sich zu irren.
     
    Unter den belaubten Kronen eines lichten Waldes zogen die Gefährten an den Hängen hinab. Das Erdreich war nur spärlich mit Felsen durchsetzt, so dass sie auch weiterhin rasch vorankamen. Unmittelbar am Fuß begann das Ufer des Nefalions. Grüngelbes Schilf wog sich in einem lauen Windzug.
    Vor langer Zeit, im äußersten Osten der Welt, hatte Larkyen schon einmal am Ufer jenes Flusses gestanden und darüber gerätselt, durch wie viele Länder und Reiche seine Wasser wohl flossen. Er hatte seinen Blick zum Horizont schweifen lassen, großen Abenteuern entgegen, die er zu bestehen hatte. In gewisser Weise erfüllte ihn der Auszug in eine weitere Schlacht mit einem Gefühl des Frohsinns. Sein Hunger nach Lebenskraft wurde stärker und würde sich schon bald in eine Gier verwandeln, die er gnadenlos unter den Strygarern ausleben wollte.
     
    Die Gefährten gelangten auf eine Straße, deren Verlauf fortwährend steiler wurde und sie schließlich über eine Brücke auf die andere Seite des Ufers führte. Die kolossalen Steinpfeiler waren hoch genug, um selbst den größten Schiffen Durchfahrt zu gestatten.
    Eine hohe Mauer, die selbst einer Belagerung mit modernstem Kriegsgerät standgehalten hätte, umgab die Stadt Frathar. Die Türme, die einst auf dem mächtigen Steinwerk errichtet worden waren, boten freie Sicht bis zu den Ausläufern der Berge, doch sie waren so unbesetzt wie die vielen Fahnenbanner. Auch der Hafen samt Steg bot alle Vorzüge einer befestigten Abwehranlage.
    Die Stadttore standen weit offen und erlaubten eine gute Sicht auf malerische Häuserfassaden, breite Straßen, verwinkelte Gassen und Marktplätze. Die Leere und Lautlosigkeit, die diesen einstigen Hort des Lebens nun umgab, war beängstigend und nur schwer zu begreifen.
    Logrey verharrte bei der Pforte. Witternd wie ein Raubtier wandte er seinen Kopf umher und sog schnaufend Luft durch die Nase ein.
    „ Ich rieche weder Menschen noch Tiere, die Stadt ist leer“, sagte Logrey und bestätigte somit, was alle geahnt hatten. Der Kyaslaner erntete einen verwunderten Blick von Merkor Schädelspalter.
    „ Du kannst es riechen?“ fragte der Sterbliche. „Wie ist das möglich, ich rieche rein gar nichts.“
    „ Eure Leiber altern mit jedem Atemzug, euer Fleisch welkt wie die Blätter der Bäume. Dieser Vorgang vollzieht sich nicht geruchlos. Und ein Unsterblicher kann diesen Geruch selbst auf gewisse Entfernungen sehr gut wahrnehmen.“
    Nach weiteren aufmerksamen Blicken verkündete Logrey alles, was er wusste: „Das Gestein der Mauern und Türme ist an vielen Stellen geschwärzt von Feuer, vereinzelt sogar geschmolzen. Ich würde die Möglichkeit von Kriegsgerät nicht ausschließen, doch ist mir keine Waffe bekannt, die massiven Stein schmelzen lässt.“
    „ Elementarmagie“, erklärte Ayrus.
    „ Magie?“ murrte Merkor und spuckte verächtlich aus.
    „ Elementarmagie“, korrigierte ihn Ayrus, „Die Fähigkeit, Feuer, Wasser, Erde und Luft zu beherrschen. Fürst Strygar beherrscht neben der Luft auch das Feuer, er muss persönlich hier gewesen sein.“
    Larkyen hatte die Gespräche seiner Gefährten schweigend und aufmerksam verfolgt. Sein Verstand setzte das grauenvolle Puzzle um das verschwinden von über tausend Menschen zusammen, und in Gedanken

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