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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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losreißen, aber er hielt mich nur noch fester, und ich war auch nicht mit ganzem Herzen dabei. Die Vision hatte wie eine kalte Dusche auf mich gewirkt. Sicher, ich fühlte dasselbe wie er, die Energie, die Hitze und die unerklärliche Sehnsucht zwischen uns. Aber darunter, in meinem tiefsten Inneren, da war ein heftiges Verlangen nach Freiheit. Eine trotzige Aufsässigkeit.
    Und ich konnte auch die immerwährende Sorge um Nana nicht einfach vergessen. Sie war weit weg an einem anderen Ort und wartete auf mich, sie brauchte den Trost und die Pflege, die nur ich ihr geben konnte. Ich hatte ein Leben, dort in der anderen Welt, ein Leben, das ich mir gerade erst aufbaute. Diese neue, verstörende Vision meiner Zukunft war einfach zu viel für mich. Ich schloss die Augen.
    »Ich gehöre nicht dir. Ich arbeite noch nicht einmal für dich. Mein Name ist Tish Everett, und ich gehöre nur mir selbst.«
    »Nein, Mäuschen«, entgegnete er und kam drohend einen Schritt näher. »Du gehörst mir.«
    »Tu ich nicht.«
    »Noch nicht.«
    Er seufzte und zog von irgendwo aus seinem Mantel seinen Zylinder heraus. Er schlug ihn einmal gegen sein Bein und wirbelte ihn auf seinen Kopf. Dann sah er mich an, mit Augen voller Mysterien, und ergriff meine beiden Hände. Wärme breitete sich zwischen den Handschuhen aus, ein Flüstern des Stoffes, der immer zwischen uns war.
    »Glaube, was du willst, Liebes, aber du weißt, was man über Sehende sagt.«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte ich und schaute zu Boden, um seinem brennenden Blick auszuweichen.
    »Sie können jedermanns Zukunft sehen, nur nicht ihre eigene.«
    Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
    Aber er irrte erneut. Als ich ihn berührt hatte, hatte ich gesehen, was mit mir passieren würde.
    Und ich hatte Angst.

7.
    E inen Augenblick lang lastete die Anspannung schwer auf uns – er wartete darauf, dass ich ihn ansah, und ich wartete darauf, dass er mich losließ. Plötzlich klopfte es an der Tür – er ließ die Hände sinken, ich öffnete die Augen, und wir gingen einen Schritt auseinander. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, mich wieder zu sammeln. Er fuhr sich kurz durchs Haar und trat nach einem Stuhl, der daraufhin zu einem Haufen Holzspäne zerfiel.
    »Herein«, rief er, nun wieder beherrscht und souverän.
    »Es tut mir furchtbar leid, wenn ich störe, Sir«, kam eine hohe, nervöse Stimme. »Aber Sie haben nach mir gerufen?«
    Der Kopf, der da durch die Tür hereinspähte, wirkte sehr fremdartig, bis ich erkannte, dass der Mann eine lederne Fliegerbrille trug, die Kopf und Hals bedeckte. Die Augen dahinter sahen riesig aus, und er blinzelte furchtsam und hickste wie ein Käuzchen auf Speed.
    »Danke, Vil«, sagte Criminy. »Bitte sorgen Sie dafür, dass dieser Wagen für unseren neuesten Star bewohnbar gemacht wird. Bis heute Abend.«
    Der Mann zog ein abgenutztes Geschäftsbuch und einen Messingstift aus seiner flatternden Lederjacke, leckte über die Spitze des Stiftes und fragte: »Und was soll auf der Seite aufgemalt werden, Sir?«
    »Schreiben Sie darauf, ›Lady Letitia, Wahrsagerin‹«, bestimmte Criminy mit großartiger Geste. »Wenn dir das recht ist, natürlich.«
    Ich schnaubte. »Ich bin nicht gerade eine Lady, und ich weiß gar nicht, ob ich wirklich wahrsagen kann.«
    »Ich sage, du bist eine Lady und du kannst wahrsagen«, entgegnete er. »Und streichen Sie den Wagen burgunderrot, damit er zu meinem passt, Vil«, fügte er hinzu. »Mit Goldbuchstaben.«
    »Ja Sir, na-natürlich«, stammelte der Mann, bevor er wieder verschwand.
    »Das sieht mir nach einer ganzen Menge Aufwand aus«, meinte ich leise. »Vor allem, wenn ich gar nicht sein kann, was du möchtet. Wenn ich wieder fortgehe.«
    »Du gehst nicht fort«, sagte er fest. »Sofern du nicht ein enormes Talent für Magie hast oder weißt, wie du eine Tür zu deiner Welt öffnen kannst, die nur eine von vielen ist. Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Zumindest nicht für die nächsten paar Jahrhunderte. Am besten, du machst es dir hier bequem, Liebes. Du bist jetzt eine Fahrende.«
    »Aber … Ich? Eine wahrsagende Schaustellerin? Das ist lächerlich«, gab ich zurück, und schaute errötend zu Boden.
    Er drehte mich an den Schultern herum und zog schwungvoll ein staubiges Tuch von einem mannshohen Spiegel. Klauen hatten über die Oberfläche gekratzt und vier Furchen hinterlassen, die sich durch das Silber des Spiegels und den kunstvollen Rahmen zogen. Der

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