Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
würde letzten Endes austrocknen.«
»Woher weißt du, dass es frei von Krankheitserregern ist?«
»Was sind Krankheitserreger? «, fragte er.
»Es gibt doch sicher auch Krankheiten hier?«, fragte ich ihn verblüfft. »Erkältungen, Grippe, Rachitis, Masern, Infektionen. Irgendwelche Arten von Krankheiten?«
»Wenn jemand nicht isst oder trinkt, wird er krank. Ist das in deiner Welt anders?«
Ich, eine Krankenschwester, war in einer Welt ohne Viren oder Bakterien gelandet. War das denn die Möglichkeit?
Mit meinem Tablett in der Hand führte er mich zu einem Ecktisch, der größer war und Vorhänge hatte. Wir setzten uns hinein, jeder an einer Seite des Tisches, und er richtete die Vorhänge so, dass wir in einer gemütlichen kleinen Nische saßen, die vom orangefarbenen Licht einer summenden Lampe erhellt wurde und deren dicke Samtvorhänge die Geräusche draußen dämpften. Die Königstafel.
Ich hatte vergessen, mir etwas zu trinken zu holen und schaute mich suchend um, aber Criminy lächelte und meinte: »Du möchtest etwas Wein, nicht wahr? Nur einen Moment, Liebes.«
Während er mich in der abgetrennten Nische kurz allein ließ, grübelte ich über eine Welt ohne Krankheiten nach. Wie erklärt man die moderne Medizin einem Bluttrinker, der in einer Welt voller Uhrwerkmaschinen und Magie lebt?
Mit einem Kelch in der Hand kam er zurück in unser Abteil.
Ich nahm einen kleinen Schluck von dem süßen roten Wein und erklärte: »Da, wo ich herkomme, werden Menschen von Krankheiten befallen. Diese werden von winzig kleinen, unsichtbaren Monstern verursacht, die wir Viren und Bakterien nennen. Aber es gibt bei uns weder Bluttrinker noch Magie.«
»Unsichtbare Monster, aber keine Magie«, wiederholte er nachdenklich.
Er entkorkte seine Phiole, goss ihren Inhalt in seinen eigenen Kelch und schwenkte ihn. Die sämige rote Flüssigkeit haftete an dem Glas, und er nippte vornehm. Mir wurde leicht übel, also senkte ich den Blick auf meinen Eintopf, der göttlich duftete.
»Keine Magie«, bestätigte ich. »Aber eine Menge Wissenschaft. Wir haben riesige Gebäude, genannt Krankenhäuser, in denen Ärzte arbeiten. Sie können alle möglichen Operationen durchführen und Menschen heilen, die schon am Rande des Todes sind. Wenn jemand sehr viel Blut verliert, können sie es ersetzen, mit dem gespendeten Blut von jemand anderem. Und man kann krank werden, wenn man verseuchtes Blut erhält.«
Er wirkte entzückt. »Das ist faszinierend«, meinte er. »Eine Welt, in der die Leute sich einfach so gegenseitig Blut schenken, aber niemand es trinken will.« Dann schaute er mich an, ein leises Glitzern in seinen Augen. »Warst du glücklich, da wo du herkommst?«
»Ich war gerade dabei, glücklich zu werden«, sagte ich, »obwohl es immer wieder Schwierigkeiten dabei gab. Wie sieht es mit dir aus?«
»Ich war vielleicht ein wenig unglücklich, vorher«, sagte er leise. Er streckte kurz die Hand aus, um meine zu streicheln, eine Berührung, so schnell und leicht, dass ich mich fragte, ob ich sie mir nur eingebildet hatte. »Jedenfalls bin ich jemand, der immer Sehnsucht hat.«
Eine Weile aßen wir in einvernehmlichem Schweigen. Oder besser, ich aß, und er nippte gelegentlich an seinem Glas, dessen Inhalt seine Lippen tiefrot färbte.
»Weißt du, in meiner Welt sind Bluttrinker nur Monster in Märchenbüchern«, sagte ich.
»Tatsächlich?«, fragte er begeistert. »Das ist ja fabelhaft!«
»Es gibt Geschichten über Bluttrinker, die Vampire genannt werden und angeblich tot sind. Manche denken, sie können sich in Fledermäuse verwandeln oder fliegen, und dass sie Angst haben vor Kreuzen, Spiegeln und Knoblauch.«
»Ach, deshalb hast du mich vorher so genannt. Aber das klingt gar nicht nach einem Bludmann, außer dem Teil mit dem Bluttrinken«, meinte er, dann grinste er schlau. »Von allen Dingen, die du mir vorwerfen könntest – dass ich tot bin, gehört definitiv nicht dazu.«
Ich geriet ein wenig ins Stottern und wechselte das Thema. »Dieser Eintopf ist köstlich. Weißt du, was alles darin ist?«
»Gemüse natürlich«, zählte er auf. »Kartoffeln. Und Bludhäschen. Die sind am einfachsten zu fangen. Der Koch muss nur einen Handschuh ausziehen und eine Weile herumstehen, und schon kommen sie angerannt. Ein Schlag auf den Kopf, und das Essen steht auf dem Tisch.«
Mein Löffel fiel klappernd auf die Tischplatte.
»Dann esse ich gerade etwas, das vielleicht einen Menschen gefressen hat?«
»Nun, ja.
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