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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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Träume dabei. Ich hab dich beobachtet, durch ein großes gläsernes Fenster, und du warst in einem riesigen Schloss, ganz umgeben von grünem Gras, so kurz, als hätte es jemand mit Schere und Lineal geschnitten, und es hat geregnet. Und ich war nass bis auf die Knochen, und das Wasser lief mir durch die Haare und den Kragen hinab. Und du hast drinnen gesessen, in so einem hässlichen blauen Kleid auf einem karierten Sofa, und eine flimmernde Kiste beobachtet. Ich habe geschrien und immer wieder gegen das Fenster geklopft, aber du hast einfach nicht zu mir geschaut.«
    »Klingt wie ein Albtraum«, meinte ich nur, aber seine Beschreibung traf mich mitten ins Herz. Er hatte mein altes Haus beschrieben, Jeffs Haus, den sorgfältig getrimmten Rasen und mein Lieblingsnachthemd.
    »War es auch«, sagte er. Dann, als wäre es gar nicht so wichtig, fuhr er lächelnd fort: »Solltest du mich jemals im Regen nach dir rufen hören, dann lass mich rein, ja?«
    »Na klar«, versprach ich.
    Aber ich merkte, dass ihn der Traum irgendwie verunsichert hatte, und auch ich wollte nicht weiter darüber reden. Ich mochte mir in seiner Welt ja ein wenig seltsam vorgekommen sein, aber er wäre in meiner Welt komplett deplatziert.
    »Oh, und ich war noch mal bei dem Hausflohmarkt, wo ich das Medaillon gefunden hatte. Ich habe das Buch, in dem es verborgen war.«
    »Oh?«, meinte er leichthin. »Und welche Art Buch war es?«
    »Ein leeres«, sagte ich. »Rotes Leder, kein Titel, keine Worte auf den Seiten. Nur eine Art Familienstammbuch auf der Vorderseite. Deine Familie.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, von irgendwann im dreizehnten Jahrhundert bis heute. Welches Jahr haben wir?«
    »Es ist Frühling 1904«, sagte er. »Und du sagst, die Namen waren da, aber die Seiten waren leer?« Er neigte sich näher zu mir, wartete auf meine Antwort.
    »Yep.«
    »Wie merkwürdig«, sagte er zu sich selbst. »Als ich es aussandte, um dich zu finden, war es ein Familiengrimoire, mein wertvollster Besitz. Darin standen sämtliche Zaubersprüche, Beschwörungen, Rezepte, Flüche, Gaunereien und Witze meiner Familie. Und in deiner Welt sind es nur leere Seiten. Ich frage mich, ob du es wohl irgendwie mit zurückbringen könntest.«
    »Aber das Medaillon ist das Einzige, das mit mir zwischen den Welten wechselt. Ich meine, ich trage jetzt gerade dieselbe Kleidung und Frisur, mit der ich hier eingeschlafen bin. Nicht einmal das Make-up geht mit hinüber.«
    »Schon, aber das Grimoire wurde zusammen mit dem Medaillon verzaubert. Und der Zauber, der darauf liegt, ist stark. Ich wollte dich finden, und es will zu mir nach Hause. Es gehört nach Sang.«
    »Tja«, meinte ich nachdenklich. »Es ist jetzt unter dem Vordersitz meines Autos, aber ich kann versuchen, morgen Nacht mit dem Buch in meinen Armen einzuschlafen. Auch wenn das sich etwas albern anfühlen wird.«
    »Danke dir, Liebes. Ich würde dich nicht dafür eintauschen, aber ich wäre glücklich, beides zu haben.«
    Unsere Blicke trafen sich, und wir lächelten beide ein wenig schüchtern. Er bewegte sich auf mich zu und beugte sich zu mir für einen Kuss, aber ich drückte eine Hand gegen seine Brust, um ihn aufzuhalten – wobei ich sorgfältig darauf achtete, nur sein Hemd zu berühren. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch, aber ich wollte nicht nachgeben.
    »Bis hierher und nicht weiter«, wehrte ich ihn ab.
    »Warum?«, fragte er schwer atmend.
    »Weil ich das nicht kann«, sagte ich. »Ich bin eben erst in einer anderen Welt aufgewacht. Ich kann nicht einfach fremde Männer vor dem Frühstück küssen.«
    »Jetzt bin ich ein fremder Mann?«, fragte er und zog sich ein wenig zurück, um mich mit seinem scharfen Blick zu durchbohren.
    »Ich kenne dich erst einen Tag«, sagte ich und drückte ihn noch weiter weg, um aus dem Bett steigen zu können. Ich ging zum Waschtisch und schaute mir mein zerknittertes Gesicht samt wirren Haaren im Spiegel an. Mit dem verschmierten schwarzen Make-up sah ich ein wenig aus wie eine Schwindsüchtige aus Viktorianischer Zeit – was ich aber gar nicht so ganz unkleidsam fand.
    »Ein ganzer Tag, und noch immer ein Fremder. Wie viele Tage, bis ich kein Fremder mehr bin?«, fragte er scherzhaft und spähte über meine Schulter auf sein eigenes müdes aber gepflegtes Spiegelbild. Obwohl er die ganze Nacht in meinem Wagen verbracht hatte, zeigte sich in seinem Gesicht nicht das geringste Anzeichen von Bartstoppeln. Sein Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, was ihn

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