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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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braunen Gestalt auf, ließ den zerrissenen Kadaver eines Bludhäschens fallen, und fauchte mich mit blutigen Reißzähnen an. Das sanfte Rehkitz machte es seiner Mutter nach. Das bösartige Fauchen aus seinem winzigen, zahnlosen Maul klang irgendwie absurd.
    »Halte besser Abstand, Liebes«, sagte Criminy. »Wenn du denkst, die Häschen sind schlimm, dann hast du noch nie eine Bludricke getroffen. Die haben einen recht ausgeprägten Beschützerinstinkt.«
    Also ging ich rückwärts, bis die Hirschkuh ihr Maul zumachte und liebevoll an ihrem Kitz schnupperte. Criminy lachte mich aus, aber von da an schaute ich etwas genauer hin und dachte über die möglichen Gefahren eines Waldes nach, in dem Schneewittchen mehr von ihren tierischen Freunden zu fürchten hatte als von irgendeiner bösartigen Königin.
    Criminy trug die meisten unserer Sachen in einem alten Ledertornister. Er sah schneidig aus, in Zylinder und Reisemantel. Ich trug ein wollenes Schultertuch und eine schwere schwarze Haube, die unter dem Kinn geknöpft war. So durch die Moorlandschaft zu laufen, mit meiner – natürlich behandschuhten – Hand in Criminys Armbeuge, gab mir das Gefühl, als käme ich direkt aus einem Buch von Jane Austen oder einem Gemälde des Impressionismus. Aber ich mochte wetten, dass selbst Elizabeth Bennet noch nie ein Kaninchen getreten hatte, und nach meiner Zählung war ich inzwischen bei 137 angekommen.
    »Also, wie weit ist es?«, fragte ich schließlich, während ich an einem Apfel aus dem Tornister kaute.
    Um seine Weste hatte er mehrere Ketten laufen, und er blieb stehen und zog eine heraus. Daran hing ein großer Messingkompass, der aber tickte wie eine Aufziehuhr. »Ich würde sagen, wir sind einen halben Tag Fußmarsch entfernt.«
    »Weißt du, in meiner Welt gibt es auch ein Manchester«, meinte ich nachdenklich. »Ich frage mich, warum manche Orte hier sich nur in ein paar Buchstaben von denen unterscheiden, die ich aus meiner Welt kenne. Brussel klingt wie Brüssel. Frankia klingt wie Frankreich. Und Manchester ist sogar ganz gleich.«
    »Ich vermute, verschiedene Welten funktionieren so«, antwortete er. »Ich habe genug darüber gelesen; es gibt immer Ähnlichkeiten. Ich glaube, es ist wie eine leichte Verzerrung in einem Spiegel. Man ist immer noch man selbst, nur ein wenig dicker oder wabbliger. Einfach eine winzig kleine Änderung mit großen Auswirkungen.«
    Und dann machte es Klick bei mir.
    »Stein. Ich habe das Medaillon im Haus von Mrs Stein gefunden. Und das unterscheidet sich nur in einem Buchstaben von Stain. Vielleicht seid ihr irgendwie verwandt?«
    »Nur, wenn sie Blut trinkt, Liebling«, antwortete er mit einem leisen Auflachen.
    Ich fragte mich unwillkürlich, welcher winzige Anstoß dafür verantwortlich war, dass unsere Welten sich geteilt hatten, sofern diese Annahme überhaupt korrekt war. Ob das Ganze bis auf den Urknall zurückging oder irgendwas mit einem übermäßig aggressiven Pantoffeltierchen in der Ursuppe schiefgelaufen war. »Das Witzige ist«, fuhr er fort, »dass Manchester früher einmal Bludchester hieß. Es ist eine alte Stadt, erbaut von Bludleuten, die man uns vor Jahrhunderten in einer großen Schlacht weggenommen hat. Die Kathedrale war ursprünglich der Aztarte gewidmet, der Göttin des Bludvolkes. Aber jetzt heißt es, sie gehört dieser Pinkieheiligen Ermenegilda.«
    »Macht es dir Sorgen?«, fragte ich. »Dorthin zu gehen?«
    »Vielleicht«, gab er mit einem grimmigen Lächeln zurück. »Aber ich gehe trotzdem. Es wird einiges an Schauspielerei erfordern, aber ich liebe es, zu schauspielern.«
    »Warum kannst du mich nicht einfach wieder unsichtbar machen?«, fragte ich.
    »Na bitte sehr, du denkst mal wieder, die Dinge sollten einfach sein«, meinte er mit einem liebevollen Lachen. »Draußen im Moor ist es leicht, unsichtbar zu sein, mit jeder Menge Raum und Stille. Aber in der Stadt, da würden die Leute mit dir zusammenstoßen, Fahrzeuge könnten dich überfahren, und die Bludratten würden dich ohnehin wittern. Und wenn dir etwas zustieße, wenn wir getrennt würden, oder du würdest verletzt, könnte ich dich nicht wiederfinden. Du würdest für immer in diesem Zustand bleiben müssen, tot oder lebendig.«
    »Oh«, schauderte ich. »Aber warum kannst du dann nicht einfach so tun, als wärst du menschlich?«
    Er sah mich an, und der Blick seiner Augen war hart. »Ich habe kein Problem damit, so zu tun, als sei ich dir persönlich unterlegen, und ich habe ganz und

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