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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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gar kein Problem damit, so zu tun, als seien wir verheiratet«, sagte er. »Aber ich werde niemals verleugnen, was ich bin. Die ehrenwerten Leute von Manchester mögen mich für einen Unhold halten, aber die Abneigung ist gegenseitig. Und mein bisschen Stolz lasse ich mir nicht nehmen, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte.«
    »Ich bin nicht der Ansicht, dass irgendetwas falsch an dem ist, was du bist«, sagte ich scheu. »Ich will es nur nicht vermasseln, und du bist in solchen Dingen viel besser als ich.«
    »Mach dir keine Sorgen. Du wirst Spaß daran haben, mitzuspielen. Du musst einfach die Arrogante mimen, und ich muss mich als der Untergebutterte darstellen, wenn wir in der Öffentlichkeit sind.«
    »Das klingt nach Spaß«, meinte ich.
    »Vergiss nur nicht, dass es nur ein Trick ist, Liebes«, warnte er mich. »Denn wenn wir erst wieder außerhalb der Mauern sind, bist du vollständig in meiner Gewalt. Und ich würde dir nur sehr ungern den Hintern versohlen.«
    Mir blieb der Apfel, an dem ich gerade kaute, im Hals stecken. Und ich konnte nicht so recht ausmachen, wie ernst er das meinte – oder wie sehr ich wollte, dass er es ernst meinte.
    Ein paar Stunden später tauchte in der Ferne ein riesiger, verschwommener Umriss auf. Als wir näher kamen, konnte ich es sehen, aber es ergab keinen Sinn. Nach den Gesetzen der Schwerkraft sollte ein solcher Ort nicht existieren können.
    »Da ist es«, erklärte Criminy und gab mir ein Fernrohr aus Messing. »Manchester.«
    Ich sah hindurch und musste erst mal blinzeln. Das Fernrohr war unglaublich: Ich konnte alles bis ins Detail erkennen. Nicht, dass ich das wirklich wollte.
    Die Stadt erhob sich aus der Landschaft wie ein Tumor. Wie die Muschel eines Einsiedlerkrebses mit extrem schlechtem Geschmack und einer mächtigen Klebepistole. Sie war viel größer als ich es für möglich gehalten hätte, ein riesiger Berg aus Stein, Ziegeln und Holz. Um die Grundfläche, in einem Tal gelegen, sah ich Felder, Erzgruben, Steinbrüche, Raffinerien und Fabriken, die Rauch ausstießen. All das war umgeben von einer hohen, abscheulichen Mauer aus schmutzig-grauem Stein. Und obendrauf kringelte sich Stacheldraht, wie eine tödliche Kuchenglasur.
    Im Vergleich dazu wirkte die leere Moorlandschaft harmlos und friedvoll.
    Innerhalb der Mauer drängten sich wackelige Gebäude in seltsamen Winkeln an den Berg und aneinander, gestützt durch Taue, Pfähle und Metallstreben. Ein öliggrauer Mief hing über allem. Es war der wahrscheinlich deprimierendste Ort, den ich je gesehen hatte.
    Ganz oben, auf dem Gipfel des Berges, erhob sich eine gigantische weiße Kirche im gotischen Stil, mit hoch aufragenden Stützpfeilern und zerbrochenen Fensterscheiben aus Buntglas. Und an der Spitze war das große X aus meiner Vision, wie ein Kreuz, das schon mal bessere Zeiten gesehen hatte.
    »Da wird unser Knabe sein«, sagte Criminy, der meine Gedanken erraten hatte. »Direkt im Zentrum der ach so heiligen Selbstgerechtigkeit, an der Spitze der gebrochenen Stadt, auf den Rücken der Leidenden stehend.«
    Ich hatte das ganz deutliche Gefühl, dass er damit recht hatte. Und mir war klar, dass ich nicht innerhalb dieser Mauern sein wollte.
    »Wir werden durch das vordere Tor hineingehen müssen«, meinte Criminy und nahm das Fernrohr wieder an sich. »Und es gibt insgesamt nur zwei Tore, deshalb werden wir durch das andere verschwinden müssen, und das schnell, denn wenn wir
    es geschafft haben, werden sie nach uns suchen. Also versuch, dein Gesicht zu verbergen und dich so normal wie möglich zu verhalten.« Er streckte die Hand nach meiner Haube aus und zog einen zarten schwarzen Schleier über mein Gesicht, mit dem ich mich fühlte, als sei ich eine Bienenzüchterin aus der Gothicszene. Dann betrachtete er lächelnd das Ergebnis und fragte mich: »Kannst du dir einen anderen Akzent zulegen? Der mehr wie ich klingt?«
    »Wie ist es denn damit?«, versuchte ich es, und war dabei ziemlich stolz auf mich.
    Er lachte. »Netter Versuch, Liebes, aber das ist etwas zu viel. Versuch es mit ein bisschen weniger.«
    »Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen«, deklamierte ich bedächtig.
    »Es grünt nur grün, da Vaniens Blüten nie blühen«, entgegnete er mit einem Lachen. »Vanien besteht größtenteils aus Dschungel. Hast du noch andere Sorten Akzent auf Lager?«
    »Ist verärgert ein Akzent?«, fragte ich.
    »Lass uns einfach so tun, als wärst du stumm.«
    Ich streckte ihm die Zunge

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