Blutleer
regelmäßig füttert und den Anschein erweckt, dass wir absolut offen sind. Torsten Mende bekommt noch je einen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und des LKA dazu, und ich bin ja auch noch da.«
Barbara fand, dass Jakubian das Problem ein wenig zu rosig sah. »Wenn du schon so strategisch vorgehst, dann solltest du die Sprecher der Polizei in Dortmund und Duisburg auch noch mit einbeziehen. Die Fälle Julia und Fatma erregen die meisten Emotionen, und sie waren dort die Ansprechpartner.«
Jakubian überlegte. »Das ist eigentlich gar keine schlechte Idee, ich werde mit Staatsanwalt Roters darüber reden.«
Jemand riss die Bürotür auf: »Telefon. Das DNA-Labor!«
»Stellen Sie durch!«, rief Jakubian kopfschüttelnd. Im nächsten Moment klingelte sein Telefon. Barbara beobachtete gespannt sein Gesicht. Es breitete sich ein Lächeln darauf aus. »Ja, danke, vielen Dank für die schnelle Arbeit, ich weiß das zu schätzen.« Er legte auf. »Die DNA stimmt überein. Wir haben ihn!«
4.
Die nächsten Tage bedeuteten harte Arbeit für alle Beteiligten. Die verschiedenen Mordkommissionen werteten die Spuren ihrer Fälle neu aus. Von der Täterseite her arbeitete Jost Klasen, ein junger Duisburger Polizist, an Hirschfelds Biografie, immer gespeist von den Fakten, die Barbara in ihren regelmäßigen und Jakubian in seinen gelegentlichen Gesprächen mit Hirschfeld zusammentrugen.
Was Hirschfelds Kindheit und Jugend betraf, war Klasen nicht fündig geworden. Nicht nur, dass tatsächlich alle direkten Angehörigen verstorben waren, auch die Bergmannssiedlung, in der er gewohnt hatte, war in den 70ern abgerissen und die Nachbarn in alle Winde verstreut worden. Da sich die Suche schwierig gestaltete, sollte sich Klasen zunächst um Hirschfelds Zeit als Binnenschiffer kümmern.
Er hatte einen älteren Mann entdeckt, der immer noch für eine kleine Reederei auf dem Rhein herumschipperte, glücklicherweise nur die relativ kurze Strecke Rotterdam – Duisburg. Der Mann hatte seine Ausbildung gerade abgeschlossen, als Hirschfeld damals auf das Schiff kam, und er bestätigte dessen Spannergeschichten.
»Wir hatten nicht viel Abwechslung auf den Schiffen damals«, meinte er, »da haben wir alle nicht weggeschaut, wenn es mal was zu sehen gab. Aber der Rudi, bei dem war das schon ein bisschen anders. Der hat regelrecht danach gesucht, jeden Abend hockte er mit dem Fernglas oben an Bord.«
Was Barbara von Hirschfeld über die einzelnen Morde erfuhr, passte jeweils genau. Dennoch liefen die Unterhaltungen mit ihm selten glatt. Während er den Tötungsakt immer sehr genau in allen Einzelheiten beschrieb, war es recht schwierig, ihm die Details des Vorgeschehens zu entlocken. Wie hatte er das Opfer ausgesucht? Warum gerade diese Frau, dieses Mädchen? Hat er sie eine Weile beobachtet? Welche Maßnahmen hatte er ergriffen, damit er nicht gesehen oder gehört wurde?
»Es hat sich halt so ergeben«, war sein Standardspruch, auch im Fall Langhorn. »Ich habe sie ein-, zweimal gesehen. Bin ihr gefolgt. Und als die Gelegenheit günstig war, alles dunkel und niemand in der Nähe, da habe ich sie mir gegriffen. An der Kehle, damit sie nicht schreien konnte.«
»Sie haben sie also gewürgt?«
»Ja.« Seine Augen glänzten. »Würgen ist fast so gut wie Blut.«
Barbara merkte immer wieder, dass schon das Reden über die Grausamkeiten Hirschfeld in Erregung versetzten. Sie musste das Gespräch abrupt abrechen, weil Hirschfeld zu einer medizinischen Untersuchung abgeholt wurde, die klären sollte, ob er körperlich in der Lage sei, die Taten zu begehen. Als er aufstand, konnte sie deutlich eine Erektion sehen.
»Es ist zum Kotzen«, sagte sie später im Präsidium zu Jakubian. »Durch meine Fragen verschaffe ich ihm noch mal einen Kick.«
Jakubian sah müde aus. Wie er versprochen hatte, war er rund um die Uhr für die Soko und die Mordkommissionen zu sprechen, und das ging auf Kosten seines Schlafes. »Wenn du möchtest, mache ich mal eine Weile weiter.«
Barbara wusste, dass Jakubian für das LKA in Hannover auch als Fallanalytiker gearbeitet und die nötige Zusatzausbildung hatte. Doch sie schüttelte den Kopf. »Es sind nur noch zwei Fälle.«
»Gut. Aber Julia und die kleine Fatma, das wird hart.«
»Ich weiß.« Obwohl sie in den letzten Jahren ihr persönliches Trauma aufgearbeitet und geklärt hatte, war Kindesmord immer noch ihre Achillesferse. Jakubian musste das wissen, er hatte garantiert alles über sie gelesen, bevor
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