Blutleer
Antwort.
9.
Jakubians Handy weckte sie. Barbara sah auf ihre Uhr. Es war kurz nach halb acht, sie hatte höchstens vier Stunden geschlafen. Jakubian drehte sich stöhnend um und tastete nach dem Störenfried. »Ja?«
Barbara sah, wie er sich aufrichtete. »Wo? Ich komme hin.«
Er sah Barbara an. »Wir haben eine Leiche. Viel Blut.«
»Wo?«
»Auf der Baustelle des Global Gate an der Grafenberger Allee.« Er stieg bereits in seine Hose.
»Kann ich mitkommen?«, fragte sie.
»Sicher.«
»Keine Bedenken, dass wir so früh zusammen irgendwo auftauchen?«
»Was?« Er sah sie verwirrt an. »Nein.«
Barbara verschwand kurz mit ihrer Handtasche im Bad. Sie war heilfroh, ihre Haare so kurz geschnitten zu haben, eine Nacht auf der Couch konnte der Frisur nichts anhaben. Sie besserte ihr Make-up auf, spülte sich den Mund aus und fand noch einen Zahnpflegekaugummi in der Tasche.
Dann wartete sie, bis Jakubian im Bad fertig war. Jetzt, bei Tageslicht, sah das Apartment noch trostloser aus als in der Nacht.
Es klingelte, das war das Taxi, das er bestellt hatte. Kurz darauf waren sie auf dem Weg.
Das Global Gate war ein großes Bürogebäude gegenüber dem Arbeitsamt. Zwei halbrunde Riegel umrahmten ein zentrales Gebäude. Viel Glas und Glanz. Der zweite Riegel war fertig hochgezogen, zeigte aber noch den blanken Beton. An der Ecke Schlüterstraße wies ein Streifenwagen ihnen den Weg.
Der Taxifahrer setzte sie dort ab. Durch eine Lücke im Bauzaun gingen sie auf das Gelände. Kramer erwartete sie.
»Und?«, fragte Jakubian.
»Sie haben sie schon wegtransportiert, ich kam leider zu spät«, knurrte er. Gemeinsam gingen sie zu der Stelle, an der Bauarbeiter am frühen Morgen die Leiche gefunden hatten. Sie war mit Flatterband abgesperrt, zwei Kriminaltechniker, die Barbara nicht kannte und die wohl zur Düsseldorfer Polizei gehörten, sicherten Spuren.
Kramer deutete auf das Gebäude. »Sie muss direkt von der Spitze hinuntergestürzt sein.«
»Dann könnte sie auch gesprungen sein?«, fragte Jakubian.
Kramer nickte. »Bei dem Zustand der Leiche ist alles möglich. Das kann erst die Obduktion klären.«
»Was für ein Typ war sie?«, fragte Barbara.
»Der Kollege beschrieb sie als dunkelhaarig und schlank, wahrscheinlich unter dreißig.«
Jakubian betrachtete die Blutspuren auf dem Bauschutt. »Das war wirklich viel Blut. Wir sollten zur Gerichtsmedizin fahren und sie uns ansehen.«
Barbara nickte. »Und Sie?«, fragte sie Kramer.
»Ich fahre nach Duisburg.«
»Dann sollten Sie das hier mitnehmen.« Sie gab ihm das schon leicht ramponiert aussehende Phantombild. »Sie können es sich noch mal vom LKA übermitteln lassen.«
»Ist er das?« Kramer kniff die Augen ein wenig zusammen. »Hat entfernte Ähnlichkeit mit diesem Dewus, finden Sie nicht?«
»Es beruht auf nicht sehr verlässlichen Aussagen, aber ja, es sieht ihm ein wenig ähnlich.« Barbara sah zu Jakubian, der ungeduldig in einiger Entfernung auf sie wartete.
»War es das wert, dass er seinen Job dafür riskiert hat?«, fragte Kramer.
Barbara antwortete nicht und ging zu Jakubian, der bereits auf dem Weg zum Taxistand an der Schlüterstraße war.
Der Assistent des Gerichtsmediziners begrüßte Barbara und Jakubian, die sich vorher telefonisch angemeldet hatten.
»Es ist gerade jemand da, der sie identifizieren soll. Sie hatte eine Telefonnummer in der Jackentasche«, erklärte er. »Wir hätten sie lieber erst mal etwas hergerichtet, sie sieht wirklich schlimm aus, aber die Polizei wollte das so schnell wie möglich geklärt haben.«
Barbara schluckte. Ein trauernder, geschockter Angehöriger am frühen Morgen auf nüchternen Magen war nicht gerade nach ihrem Geschmack. Man sah Jakubian an, dass er genauso dachte.
Die Tote lag auf einem der Seziertische, mit einem weißen Tuch bedeckt, dass ihr jemand vom Gesicht gezogen hatte. Von weitem sah das Gesicht unversehrt aus. Direkt vor ihr stand mit dem Rücken zu Barbara und Jakubian ein Mann, nicht sehr groß, schlank und mit kurzen grauen Haaren. Er trug eine schwarze Jeans und ein schwarzes Jackett. Barbara sah ihn, und ihr Herz begann sofort bis zum Hals zu schlagen.
»Thomas«, flüsterte sie.
Jakubian sah sie an. »Dein Mann?«
Sie nickte. Und dann wusste sie, dass sie das Gesicht der Toten schon gesehen hatte: Es war Katharina.
Barbara trat an Thomas heran und berührte ihn am Arm. Er zuckte zusammen, bemerkte aber dann, dass es seine Frau war. Sie nahm seine Hand.
»Das hätte ich
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