Blutlinien - Koeln Krimi
Haus, ein Familienangehöriger, mit dem wir sprechen können? Es ist sehr wichtig.«
»Ich bin eben erst gekommen und allein. Die Frau Doktor müsste längst hier sein, ich erwarte sie jeden Moment.«
»Können Sie uns sagen, mit wem Frau Marcks liiert ist?«, fragte Lou. »Gibt es einen Lebensgefährten, irgendjemanden, mit dem sie hier zusammenlebt?«
Frau Boes zögerte.
»Lassen Sie uns bitte kurz ins Haus?«, fragte Maline noch einmal mit Nachdruck.
Die Hausangestellte trat zur Seite.
Bratenduft stieg Maline in die Nase. Sofort meldete sich ihr Magen und erinnerte sie daran, dass sie seit dem Morgen nichts zu sich genommen hatte.
Frau Boes führte sie ins Wohnzimmer. Die Kommissarinnen setzten sich auf eine tiefrote Ledercouch. Maline sah sich um. Hellgraue Fliesen. Einziges Möbelstück neben dem Sofa war ein schwarzer klobiger Metallschrank. Die gegenüberliegende Wand dominierte ein riesiger Flachbildschirm. Keine Fotos. Kaum persönliche Gegenstände. Auf dem Glastisch vor der Couch stand eine Schale mit exotischen Früchten. Für Malines Geschmack war der Raum zu kühl, zu minimalistisch eingerichtet.
Frau Boes wirkte verlegen. »Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
Sie verneinten.
Lou lehnte sich zurück, während Maline an die Fensterfront trat, die zum Garten hinausging. Ein lachender großer Steinbuddha saß vor üppigem Bambus. Gerade als sie noch einmal nach Frau Marcks’ privater Situation fragen wollte, flog die Haustür auf.
»Jemand zu Hause? Liebling! Puh, ist das warm heute!« Schlüssel klirrten. Schritte näherten sich dem Wohnzimmer. »Stell dir vor, ich habe Karten für das nächste Heimspiel der Haie geschenkt bekommen. Brandt vom Vertrieb ist krank, nein, seine Tochter hat die Grippe oder so was … Samuel wird sich freuen und …« In der Tür erschien eine rundliche Frau im teuren Kostüm. Dunkle, schulterlange Haare. Rote Lippen. Lachende Augen.
Die Ähnlichkeit mit Frau Boes, was Statur und Haare anging, war verblüffend. Lediglich die Gesichter unterschieden sich gewaltig. Die Hausangestellte wirkte verkniffen, die Frau, die nun den Raum betrat, strahlte Offenheit aus. Maline räusperte sich, sie ahnte, dass die Heiterkeit in wenigen Sekunden für lange Zeit aus diesem Blick verschwinden würde.
»Wer sind Sie? Frau Boes, haben Sie …?«
Maline holte Luft. »Frau …?
»Ackermann, Elise Ackermann. Was ist passiert?«
»Kripo Köln«, sagte Maline. »Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass …«
»Karina? Hatte sie einen Unfall? Ist sie zu schnell gefahren, sie fährt immer … Auto oder Motorrad? Sie war noch so unsicher auf dem Krad. Wo? In welchem Krankenhaus liegt sie?«
Maline schluckte.
»Sagen Sie mir bitte, was los ist!«
»Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Dr. Karina Marcks tot aufgefunden haben.«
Elise Ackermann stand unbeweglich, endlose Sekunden rührte sie sich nicht. Dann wandte sie sich jäh um und stürzte aus dem Wohnzimmer. Maline, Lou und Frau Boes folgten ihr in die Küche, sahen, wie sie einen riesigen Thermohandschuh überzog, den Ofen öffnete und einen Braten hervorholte. Sie setzte das Fleisch auf ein großes Brett, angelte mit der rechten Hand eine Gabel aus einer Schublade und zog mit der linken ein großes Messer aus einem Block.
Frau Boes trat einen Schritt vor. »Frau Ackermann … Elise … soll ich nicht lieber …«
»Lassen Sie sie einfach«, flüsterte Lou und berührte die Haushaltshilfe vorsichtig an der Schulter.
Elise Ackermann begann den Schmorbraten in hauchdünne Scheiben zu zerlegen. Ruhig setzte sie das Fleischermesser an, Schnitt für Schnitt. Dann wurden ihre Bewegungen schneller. Rhythmisch stieß sie die Gabel ins Fleisch, dabei entstanden schmatzende Geräusche. Abrupt begann sie damit, den Braten regelrecht zu zerhacken. Laut schlug die Klinge des Messers auf das Brett. Klack. Klack. Klack.
Maline überlegte, ob sie ihr das Schneidwerkzeug abnehmen sollte, und sah zu Lou.
In dem Moment fiel das Messer zu Boden, und Elise Ackermann warf das gesamte Fleisch im hohen Bogen ins Spülbecken. Sie drehte sich um, machte einen Schritt nach vorne und sackte zusammen, als hätte jemand die Luft aus ihr herausgelassen. Lou und Maline sprangen gleichzeitig vor, fassten sie an den Armen und drückten sie vorsichtig auf einen der Designerstühle.
»Das geht doch nicht«, sagte Elise Ackermann leise. »Karina und ich, wir … haben morgen … Gäste … wir wollen verreisen, wir …«
Sie brach ab. Ihre
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