Blutlinien - Koeln Krimi
jeder an seine Grenzen, und für den Körper ist es eine enorme Belastung«, sagte Hanna. »Immerhin ist deine Mutter Mitte siebzig.«
Maline trank einen Schluck Wasser. »Hat es ihr denn gefallen?«
»Unheimlich, nächstes Jahr will die Walkinggruppe die Alpen überqueren.«
»Du meine Güte.« Hanna grinste schief. »Und ich schaffe es nicht mal, zu Fuß von Nippes in die Innenstadt zu gehen.«
»Was hat sie zu den Schüssen auf dich gesagt?«, fragte Maline.
»Das möchte ich hier lieber nicht wiederholen«, antwortete Lou. »Aufgeregt hat sie sich, und den armen Nikodemus hat sie deswegen auch zur Schnecke gemacht. Nächstes Mal rufen wir sie doch besser an.«
»Es wird kein nächstes Mal geben«, sagte Hanna. »Du hast es versprochen.«
Helene Vanheyden murmelte etwas im Schlaf. Maline, Lou und Hanna lauschten, verstanden aber kein Wort.
»Und wie geht es deinem Vater?«, fragte Lou nach einer Weile. »Hast du dir mit ihm die Fotos angesehen?«
»Ich habe es versucht«, antwortete Maline. »Aber es ist schwer zu sagen, was er davon mitbekommt. Eine eindeutige Reaktion gab es nicht.«
»Geh einfach davon aus, dass er sich gefreut hat«, schlug Lou vor und lächelte Maline aufmunternd zu.
Die Flammen im Kamin loderten auf.
»Ich bin so froh, dass ihr den Fall gelöst habt.« Hanna legte einen Arm um Lou. »Aber ich verstehe Clemens’ Motiv einfach nicht. Das ist mir einfach schleierhaft.«
Maline gähnte und hielt sich die Hand vor den Mund. »Mit Logik kommen wir in dem Fall nicht weiter. Der Typ ist krank.«
»Ich bin nicht sonderlich überrascht«, gab Hanna zu. »Ich meine, dass ist natürlich heftig, weil uns der ganze Fall so nah gekommen ist, aber jeder weiß doch, dass man einem Mörder seine Gesinnung nicht ansieht. Da ist Clemens so gut oder schlecht wie jeder andere Mensch. Feige finde ich allerdings, dass er keine Stellung bezieht. So bleibt immer ein Rest Unsicherheit.«
»Er muss gar nichts sagen.« Maline stopfte sich ein zweites Kissen in den Rücken. »Seine Aufzeichnungen sind eindeutig. Ich habe den Mist quergelesen und muss sagen, da bleibt mir die Luft weg. Und wisst ihr, was das Schlimmste ist: Ich glaube, dass der Typ tatsächlich viele Sympathisanten hat. Er ist zwar extrem, und natürlich würden die meisten Menschen nicht so weit gehen wie er, aber mit seiner Grundeinstellung steht er nicht allein.«
»In Clemens kommt Homophobie in seiner schrecklichsten Form zum Ausdruck«, sagte Lou. »Ich verstehe diesen Hass einfach nicht.«
Sie schwiegen einen Moment.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass er es auf dich abgesehen hatte, Maline«, sagte Hanna. »Stellt euch mal vor, er hätte … nein, nicht auszudenken.«
»Aber es ist wahr«, sagte Lou leise, um ihre Mutter nicht zu wecken. »Er wollte Maline töten. Es gibt eine Stelle in den Unterlagen, wo er beschreibt, wie er in mein Haus gegangen ist und sich vorstellt, Maline umzubringen. Da stellen sich mir wirklich die Nackenhaare auf.«
»Vorbei«, sagte Hanna und drückte Malines Hände. »Er kann dir nichts mehr anhaben.«
Nikodemus stellte ein Tablett auf den Couchtisch, verteilte hauchdünne Teetassen und verschwand wieder in der Küche.
»Einige Dinge sind allerdings nach wie vor merkwürdig«, sagte Lou. »An dem Neoprenanzug, den wir in der Garage gefunden haben, wurde zwar DNA gefunden, aber Clemens lässt sie sich nicht zuordnen. Fingerabdrücke von Clemens wurden auch nirgends entdeckt, und Schuhe, die zu dem Profil passen, das am Tatort in Mülheim gesichert wurde, haben wir nicht gefunden.«
»Die Größe des Abdrucks kommt hin, die Schuhe kann er entsorgt haben«, sagte Maline. »Und mit Sicherheit hat er die ganze Zeit Handschuhe getragen. Ich verstehe deine Zweifel nicht.«
»Ich weiß auch nicht, ich bin einfach erschüttert«, meinte Lou. »Ich bin ja nicht täglich mit einem Serientäter zusammen. Wahrscheinlich suche ich deshalb immer nach Ungereimtheiten.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Maline. »Es ist aber so: Die Beweislast ist erdrückend. Der Typ ist clever vorgegangen. Er hat sich unser aller Vertrauen erschlichen. Und vergiss nicht, Dana hat er auch auf dem Gewissen.«
»Aber sie hat ihn bisher nicht wiedererkannt«, sagte Lou.
»Weil ihr Erinnerungsvermögen noch nicht wieder funktioniert«, sagte Maline heftig. »Aber egal, wir haben ihr Blut an der Tatwaffe.«
»Stimmt es, dass Dana Fortschritte macht?«, fragte Hanna.
»Jeden Tag ein bisschen. Die Ärzte sind
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