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Blutlust

Blutlust

Titel: Blutlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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mir den Weg abzuschneiden.
    Einen Moment lang überlegte ich, um Hilfe zu rufen. Aber wer würde mich hier schon hören? In meinen Lungen brannte es vor Anstrengung, und Schweiß floss mir aus den auf der Stirn klebenden Locken in die Augen.
    Lange würden meine Beine mich nicht mehr tragen. Doch meine Angst ließ mich weiterrennen; immer wieder neu geschürt von Carlas vorfreudig lüsternem Kichern, das inzwischen dicht hinter mir erklang.
    Geschickt wie eine Spinne hatte sie mich in ihre Falle gelockt, hatte mit mir gespielt wie mit einer Marionette, und wenn ich nicht bald die Straße erreichte und entgegen jeder Wahrscheinlichkeit zu dieser Uhrzeit noch ein Taxi fände, würde ich den Preis bezahlen für meine Blauäugigkeit … für meine Neugier … für mein Spiel mit dem Feuer.
    »Du weißt, dass du es willst, Sinna«, rief Carla, und für einen Moment gerieten meine rennenden Füße aus dem Takt. Sie hatte recht, und sie wusste es. Ein Teil von mir wollte tatsächlich einfach stehen bleiben und sie über mich herfallen lassen. Die Erinnerung an Carlas Biss war noch so frisch wie das zarte Rinnsal Blut, das mir von der Halsseite auf Schlüsselbein und Brust sickerte. Aus meinem tiefsten Inneren schrie eine Stimme danach, die Lust, die mir dieser Biss geschenkt hatte, noch einmal zu erleben, mich ihm hinzugeben und ihm zu erliegen. Nie zuvor hatte ich eine solche Lust erlebt – nicht einmal mit Max.
    Dennoch rannte ich weiter – fast schon mechanisch. Denn sosehr ich Carlas Biss und alles, was er in mir entfacht hatte, noch einmal spüren wollte, so wenig wollte ich heute Nacht sterben.
    Ich schrammte an der Ecke einer der Fabrikruinen vorbei um die Kurve, um wenigstens einen der beiden Verfolger auf den Dächern abzuhängen, und legte noch einmal alle Kraft in einen Spurt. Das Herz hämmerte mir bis zum Hals, und meine Schenkel und Waden glühten von der Anstrengung. Ich verfluchte jeden Morgen, an dem ich aus Bequemlichkeit heraus das Joggen hatte ausfallen lassen, und ignorierte, so gut es ging, die rotschwarzen Punkte, die vor meinen Augen zu flimmern begannen. Vom nahen Hafen her hörte ich das Nebelhorn eines Frachters und erbebte innerlich. Es klang wie ein Horn zur Jagd und schallte gespenstisch zwischen den Ziegelmauern und in den Höhlen eingeschlagener Fenster, die auf mich herabblickten wie die blinden Augen eines Riesen. Auch hier stieg langsam Nebel auf mit wabernden Fingern, die von allen Seiten her nach mir zu greifen schienen, um mich festzuhalten und mich daran zu hindern, meinen Verfolgern zu entkommen.
    »Sie rennt nach rechts, Herrin«, rief einer der beiden von den Dächern herab. Ich erkannte Cyrus’ Stimme. Sie war verdammt viel näher, als mir lieb sein konnte.
    »Ich hab sie gleich«, erklang es von schräg über mir, und als ich im Rennen nach oben blickte, erkannte ich den anderen, Caligula.
    Fast zeitgleich mit mir erreichte er das Ende der alten Halle und sprang, ohne zu bremsen, vom Dach des dreistöckigen Gebäudes. Sein weiter Mantel bauschte sich im Flug auf wie die Flügel einer riesigen Fledermaus, und er landete einige Meter vor mir, ohne dass ihn der Schwung des Falls auch nur ansatzweise in die Hocke zwang.
    Keine Ahnung, welche Drogen die drei genommen hatten. Oder welche sie mir beim Anmirherumspielen unbemerkt gegeben hatten, um meine Wahrnehmung derart durcheinanderzubringen. Woher kam diese irrsinnige Lust nach Carlas Biss?
    »Haltet sie fest, aber Zähne weg von ihrem Hals«, rief Carla. »Ihr Blut gehört mir. Mir allein.«
    Caligula hechtete mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf mich zu, und ich schlug einen Haken, um ihm auszuweichen. Da wurde ich von der anderen Seite gepackt. Cyrus. Woher auch immer er so schnell gekommen sein mochte. Seine Hand umklammerte meinen nackten Oberarm mit der Kraft eines Schraubstocks, und ich schrie auf vor Schmerz.
    In meiner Verzweiflung trat ich nach ihm, aber er machte einen geschickten Schritt zur Seite, und ich traf ins Leere. Meine freie Hand schnellte nach oben, und meine angefeilten Nägel gruben sich in seine Wange. Statt wie ich vor Schmerz aufzuschreien, lachte er spöttisch auf, und ehe ich ihn richtig verletzen konnte, hatte Caligula von der anderen Seite mein Handgelenk gegriffen und es von Cyrus’ Gesicht weggezogen.
    Die beiden bauten sich links und rechts von mir auf und zogen meine Arme so weit auseinander und nach oben, dass ich zwischen ihnen hing wie vor wenigen Minuten noch an dem Andreaskreuz.
    Carla

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