Blutlust
Riefen kam das Motorrad vor mir zum Stehen.
Es war Max.
»Steig auf«, rief er mir zu. »Schnell!«
Ich zögerte. Nach allem, was ich inzwischen wusste, war er vielleicht ein gefährlicher Killer.
Max sah die Zweifel in meinem Blick, und seine fast schwarzen Augen nahmen einen traurigen Glanz an.
»Vertrau mir«, sagte er leise mit seiner unglaublich tiefen Stimme.
»Wie könnte ich das?«, gab ich zurück. Um uns herum richteten sich die drei Schatten von Carla und ihren Schoßhündchen vom Boden auf. Sie waren unverletzt? Verdammt, wie konnte das denn sein? Max hatte sie mit seinem Bike doch voll erwischt.
»Dann vertrau mir nicht«, unterbrach Max meine Verwirrung. »Aber steig endlich auf. Oder willst du ihr gehören?«
Mein Blick flog zu Carla, die sich gerade Blut vom Mundwinkel leckte.
»Schnappt ihn euch!«, befahl sie ihren beiden Sklaven mit herrischer Geste. Cyrus und Caligula, die bis eben noch so bedrohlich gewirkt hatten, schauten einander jetzt unsicher an. Ich konnte Furcht vor Max in ihren Augen lesen. Aber ihre Angst vor Carla war nicht weniger groß. Zögernd setzten sie sich in Bewegung.
Max knurrte sie warnend an. Es war ein animalisches Knurren, ähnlich dem eines Wolfs. Sie stoppten eingeschüchtert. Ich konnte sehen, wie ihre muskulösen Kiefer mahlten und ihre Nasenflügel bebten im inneren Kampf zwischen dem Bestreben, ihrer Herrin zu dienen, und ihrer Angst vor Max. Max betrachtend, konnte ich sie nur zu gut verstehen. Er saß auf seinem Motorrad mit der drohenden Haltung eines finsteren Rachegottes. Seine sehnigen Fäuste hielten den Lenker fest umklammert, sein langer Ledermantel hing auf beiden Seiten der Maschine bis fast zum Boden herab, und seine Augen hatten sich unter aggressiv geschürzten dunklen Brauen zu gefährlich schmalen Schlitzen zusammengezogen und funkelten wie glühende Kohlen.
»Ihr glaubt doch nicht, dass er euch schwerer verletzen wird als ich, wenn ihr nicht augenblicklich gehorcht«, zischte Carla. Sie sah jetzt kein Stück weniger gefährlich aus als Max. Breitbeinig stand sie im Nebel, den Kopf angriffslustig gesenkt, die langen Finger zu sehnigen Klauen gekrümmt. Mir fiel auf, dass ihre Nippel jetzt noch steifer und kleiner waren als vorher. Ihre Brust hob und senkte sich im langsamen Takt ihres tiefen, Adrenalin pumpenden Atmens. Wie hatte ich diese Frau jemals für ungefährlich halten können … oder gar schwach und verletzlich?
»Steig endlich auf, Sinna!« Max streckte die Hand nach mir aus, ohne dabei Carla aus den Augen zu lassen.
»Packt sie!«, schrie Carla, und ihre Stimme klang wie der treibende Schlag einer Peitsche, hart und unbarmherzig, so dass Cyrus und Caligula ihre Angst überwanden und erneut auf uns losgingen. Ich sprang nach vorne, griff nach Max’ Hand und schwang mich mit seiner Hilfe hinter ihm auf die Sitzbank. Kaum hatte ich meine Arme um ihn geschlungen, gab er auch schon Gas. Die Maschine stieg aufs Hinterrad, und Carlas Sklaven hechteten zur Seite. Die Beschleunigung raubte mir den Atem.
Einen letzten Blick hinter mich werfend, sah ich Carla seelenruhig im Nebel stehen. Cyrus und Caligula rannten uns einige Meter hinterher. Aber sie stand nur da, holte ein Handy aus dem Bund ihres Rockes und drückte eine Schnellwahltaste. Ohne den Blick von mir zu wenden, führte sie das Handy ans Ohr und sprach etwas hinein. Dann hatte der Nebel sie verschlungen.
Max lenkte die heulende Maschine zum Ausgang des Fabrikgeländes. Doch gerade als er zwischen den hohen, brüchigen Ziegelmauern hindurch auf die Straße hinausfuhr, kam von rechts ein gleißendes Licht auf uns zugeschossen.
Das Letzte, das ich sah, waren die Scheinwerfer eines riesigen Hummer Geländewagens, der auf uns zuraste. Hinter dem Steuer saß die Rothaarige.
Dann traf er uns in voller Fahrt.
Alles wurde schwarz.
– Kapitel 13 –
Tot
Ich war tot.
Dessen war ich mir sicher. In der Mitte des Dunkels begann ein Licht aufzuleuchten, und ich hörte das Murmeln unzähliger Stimmen. Der Himmel? Die Hölle? Nirwana? Das Licht wurde heller, gleißend. Ich schlug die Augen auf.
»Mein Gott, sie wacht auf!«, rief eine Männerstimme über mir entsetzt. Der Mann trug eine Haube, einen Mundschutz und eine seltsame Brille mit einer kleinen Lampe auf der Stirn.
»Sofort die Dosis erhöhen!«
Ich versuchte, mich aufzurichten. Hände an Schultern und Fußgelenken wollten mich daran hindern. Ich knurrte wild auf und begann zu strampeln. Mehr Hände kamen hinzu, pressten
Weitere Kostenlose Bücher