Blutmale
hm?«
»Nenn sie nicht so.«
»Wie soll ich sie denn nennen? Die blonde Tussi?«
»Du verstehst das nicht.«
»Ich verstehe, dass Mom endlich mal ein bisschen Spaß hat. Das hat ihr gefehlt.«
Er gestikulierte in die Richtung, aus der die Musik kam. »Das nennst du Spaß? Diese Orgie hier?«
»Wie nennst du denn das, was du hast?«
Frank stieß einen tiefen Seufzer aus, ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken und stützte den Kopf in die Hände. »Was für ein Schlamassel! Was war ich nur für ein beschissener Idiot!«
Sie starrte ihn an. Seine unflätige Ausdrucksweise schockierte sie mehr als sein Eingeständnis des Bedauerns.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte er.
»Was willst du denn tun, Dad?«
Er hob den Kopf und richtete einen gequälten Blick auf sie. »Ich kann mich nicht entscheiden.«
»Na toll. Da wird sich Mom echt freuen, wenn sie das hört.«
»Ich kenne sie gar nicht mehr! Mit diesem Push-up-Teil kommt sie mir vor wie eine wildfremde Frau. Wahrscheinlich gucken ihr diese Kerle die ganze Zeit in den Ausschnitt.« Abrupt stand er auf. »Es reicht. Ich werde jetzt ein Machtwort sprechen.«
»Nein, das wirst du nicht. Du wirst gehen. Und zwar auf der Stelle.«
»Nicht, solange sie noch hier ist.«
»Du machst alles nur noch schlimmer.« Jane fasste ihn am Arm und führte ihn aus der Küche. » Geh jetzt bitte, Dad.«
Als sie durchs Wohnzimmer gingen, sah er Angela an. Sie hatte einen Drink in der Hand, und die Discokugel warf vielfarbige Pailletten aus Licht auf ihr Kleid. »Ich will, dass du um elf zu Hause bist!«, brüllte er seine Frau an. Dann stürmte er aus der Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu.
»Ha!«, rief Angela. »Vergiss es!«
Jane saß an ihrem Küchentisch und hatte einen Stoß Papiere vor sich ausgebreitet. Ihr Blick ging zur Wanduhr, als der Minutenzeiger gerade auf Viertel vor elf sprang.
»Du kannst nicht einfach hingehen und sie nach Hause schleifen«, sagte Gabriel. »Sie ist eine erwachsene Frau. Wenn sie die ganze Nacht dort verbringen will, hat sie jedes Recht dazu.«
»Das mag ich mir gar nicht erst ausmalen!« Jane drückte die Handflächen gegen die Schläfen und versuchte krampfhaft, die Vorstellung zu verdrängen, wie ihre Mutter bei Korsak auf der Couch schlief. Aber Gabriel hatte die Schleusentore schon geöffnet, und die Flut von Bildern füllte ihren Kopf. »Ich fahre am besten gleich noch mal hin, bevor was Schlimmes passiert. Bevor …«
»Was? Bevor sie sich zu gut amüsiert?«
Er trat hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern, um die angespannten Muskeln zu massieren. »Komm, Schatz, nimm doch nicht alles so schwer. Was willst du denn tun - deiner Mom ein Ausgehverbot erteilen?«
»Ich denke darüber nach.«
Im Kinderzimmer heulte Regina plötzlich auf.
»Heute Abend ist keine der Frauen in meinem Leben so richtig glücklich.« Gabriel seufzte und verließ die Küche.
Jane sah wieder nach der Uhr. Punkt elf. Korsak hatte versprochen, Angela in ein Taxi zu verfrachten. Vielleicht hatte er es ja schon getan. Vielleicht sollte ich anrufen und fragen, ob sie schon unterwegs ist.
Stattdessen konzentrierte sie sich wieder auf die Papiere auf dem Küchentisch. Es war ihre Akte über den unterge tauchten Dominic Saul. Dies waren die wenigen, bereits verblassen den Spuren eines jungen Mannes, der vor zwölf Jah ren scheinbar vom Erdboden verschluckt worden war. Wieder studierte sie das Schulfoto des Jungen, blickte in ein Gesicht von beinahe engelhafter Schönheit. Goldenes Haar, ausdrucks volle blaue Augen, aristokratische Nase. Ein gefallener En gel.
Sie nahm sich den handgeschriebenen Brief vor, mit dem die Mutter des Jungen, Margaret Saul, ihn von der Putnam Academy genommen hatte.
Dominic wird zum Schuljahresbeginn im Herbst nicht wie derkommen. Ich nehme ihn mit nach Kairo …
Wo sie dann beide spurlos verschwunden waren. Interpol hatte keinen Beleg für ihre Ankunft dort finden können, keine Dokumente, aus denen hervorging, dass Margaret und Dominic Saul je nach Ägypten zurückgekehrt waren.
Sie rieb sich die Augen; die plötzliche Müdigkeit machte es ihr unmöglich, sich aufs Lesen zu konzentrieren, und so begann sie, die Papiere zusammenzuraffen und in die Mappe zurückzustecken. Als sie nach ihrem Notizbuch griff, hielt sie inne und starrte die aufgeschlagene Seite an. Es war das Zitat aus der Offenbarung, das Lily Saul aufgeschrieben hatte:
Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, und das Tier,
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