Blutmale
verließ sie das Zimmer.
»Sie hat uns nicht eine brauchbare Information geliefert«, stellte Jane fest.
Sansone starrte auf die Tür, durch die Lily soeben verschwunden war. »Da irren Sie sich«, sagte er. »Das hat sie sehr wohl, wie ich finde.«
»Sie hat etwas zu verbergen …« Jane brach ab, als ihr Handy klingelte. »Entschuldigen Sie mich«, murmelte sie und fischte das Gerät aus ihrer Handtasche.
Vince Korsak hielt sich nicht lange mit Vorreden auf. »Du musst sofort herkommen!«, blaffte er. Im Hintergrund hörte sie Musik und laute Stimmen. O Gott , dachte sie. Seine blöde Party - die hatte ich völlig vergessen.
»Vince, es tut mir wirklich leid«, sagte sie, »aber ich schaffe es heute Abend leider nicht. Ich bin mitten in einer Vernehmung.«
»Aber du bist die Einzige, die damit fertig werden kann!«
»Vince, ich muss jetzt Schluss machen.«
»Es sind deine Eltern. Was soll ich denn mit ihnen machen?«
Jane stutzte. »Was?«
»Sie schreien sich hier vor allen Leuten an.« Eine Pause. »Oje, sie sind gerade in die Küche gegangen. Ich muss schnell die Messer verstecken.«
»Mein Dad ist auf deiner Party?«
»Er ist gerade eben aufgekreuzt. Ich habe ihn nicht eingeladen! Er kam gleich nach deiner Mutter, und seit zwanzig Minuten fliegen hier die Fetzen. Kommst du jetzt vielleicht? Wenn sie sich nicht von selbst beruhigen, muss ich noch die Polizei rufen.«
»Nein! Um Himmels willen, tu das nicht!« Meine Mom und mein Dad, in Handschellen abgeführt? Das würde mir ewig anhängen. »Okay, ich komme sofort.« Sie legte auf und sah Sansone an. »Ich muss gehen.«
Er folgte ihr in die Diele, wo sie ihren Mantel anzog. »Kommen Sie später noch einmal vorbei?«
»Im Moment ist sie nicht sehr kooperativ. Ich versuche es morgen noch mal.«
Er nickte. »Ich passe inzwischen auf, dass ihr nichts zustößt.«
»Dass ihr nichts zustößt?« Sie schnaubte verächtlich. »Wie wär's, wenn Sie einfach nur aufpassen, dass sie nicht abhaut?«
Die Nacht war kalt und klar. Jane überquerte die Straße und wollte gerade ihren Subaru aufschließen, als sie eine Autotür schlagen hörte. Sie spähte die Straße hinauf und sah Maura auf sich zukommen.
»Was tust du denn hier in der Gegend?«, fragte Jane.
»Ich habe gehört, dass er Lily Saul gefunden hat.«
»Ja, die Frage ist nur, was es uns bringt.«
»Du hast sie schon vernommen?«
»Und sie verrät nichts. So kommen wir keinen Schritt weiter.« Jane blickte die Straße hinunter, wo Oliver Starks Kleinbus gerade am Bordstein einparkte. »Was ist denn heute Abend hier los?«
»Wir kommen alle, um Lily Saul zu sehen.«
» Wir? Sag bloß, du bist jetzt doch diesem Spinnerverein beigetreten?«
»Ich bin nirgendwo beigetreten. Aber mein Haus wurde mit satanischen Symbolen beschmiert, und ich will wissen, warum. Ich will hören, was diese Frau zu sagen hat.« Maura wandte sich ab und ging auf Sansones Haus zu.
»He, Doc!«, rief Jane.
»Ja?«
»Nimm dich in Acht vor Lily Saul.«
»Wieso?«
»Weil sie entweder verrückt ist oder etwas zu verbergen hat.« Jane schwieg einen Moment. »Oder beides.«
Schon durch Korsaks geschlossene Wohnungstür hindurch konnte Jane die stampfende Discomusik hören, wie einen Herzschlag, der die Wände erzittern ließ. Der Mann war fünfundfünfzig und hatte einen Herzinfarkt hinter sich - da bekam ein Titel wie »Stayin' Alive« gleich eine ganz andere Bedeutung. Sie klopfte und machte sich innerlich auf den Anblick von Vince Korsak in Freizeitklamotten gefasst.
Er öffnete die Tür, und sie starrte auf sein schillerndes Hemd mit den dunklen Schweißflecken unter den Armen. Er hatte es so weit aufgeknöpft, dass man seinen Gorillapelz von Brustbehaarung sehen konnte. Das Einzige, was noch fehlte, war das Goldkettchen um den Hals.
»Na, Gott sei Dank!«, seufzte er.
»Wo sind sie?«
»Immer noch in der Küche.«
»Und noch am Leben, nehme ich an.«
»Das Geschrei war kaum zu überhören. Meine Güte, was deine Mutter für Ausdrücke in den Mund nimmt - da kann ich nur noch staunen!«
Jane trat in die Wohnung und tauchte in die psychedelische Lightshow einer rotierenden Discokugel ein. Im flimmern den Halbdunkel konnte sie ungefähr ein Dutzend gelangweilte Partygäste erkennen, die herumstanden und an ihren Drinks nippten oder sich auf einem Sofa fläzten und mechanisch Kartoffelchips in Schüsseln mit Dips tunkten. Es war das erste Mal, dass Jane einen Fuß in Korsaks neue Junggesellenwohnung setzte, und
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