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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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darauf an«, entgegnete Oliver. »Lassen Sie uns zunächst einmal über das sprechen, was Sie am Tatort des Heiligabend-Mordes vorgefunden haben. Da war ein roter Kreidekreis, in den der Täter den abgetrennten Kopf des Opfers platziert hatte. Und um den Kreis herum fünf Kerzen.«
    »Und das bedeutet?«
    »Nun, der Kreis an sich ist ein sehr primitives und zu dem universelles Symbol. Er kann für alles Mögliche stehen. Die Sonne, den Mond. Schutz. Die Ewigkeit. Wiedergeburt, das Rad des Lebens. Und ja, er wird auch von satanischen Kulten benutzt, um das weibliche Geschlechtsorgan zu symbolisieren. Wir können nicht wissen, was er für die Person bedeutet, die ihn an jenem Abend gezeichnet hat.«
    »Aber er könnte eine satanische Bedeutung haben«, sagte Frost.
    »Gewiss. Und die fünf Kerzen könnten die fünf Ecken eines Pentagramms darstellen. Lassen Sie uns nun einen Blick auf das werfen, was letzte Nacht an Anthonys Gartentür gezeichnet wurde.« Er zeigte auf das Foto. »Was sehen Sie da?«
    »Ein Auge.«
    »Erzählen Sie mir mehr über dieses Auge.«
    »Da hängt so was wie eine Träne dran. Und eine lange Wimper am unteren Lid.«
    Oliver nahm einen Stift aus der Hemdtasche und drehte den Briefbogen um, sodass die leere Seite oben lag. »Lassen Sie mich eine genauere Skizze zeichnen, damit Sie die verschiedenen Elemente dieses Symbols klarer erkennen können.« Er zeichnete es auf dem Papier nach:

     
    »Es sieht immer noch wie ein Auge aus«, meinte Frost.
    »Ja, aber diese speziellen Merkmale - die Wimper, die Träne - machen es zu einem ganz besonderen Auge. Dieses Symbol wird Udjat genannt. Experten für satanische Kulte werden Ihnen sagen, dass dies ein Symbol für das allsehende Auge Luzifers ist. Die Träne steht für seine Trauer um all jene Seelen, die seinem Einfluss entzogen sind. Manche Verschwörungstheoretiker behaupten, es sei das gleiche Auge, das auf den amerikanischen Dollarnoten zu sehen ist.«
    »Sie meinen das auf der Spitze der Pyramide?«
    »Genau. Das ist für diese Leute der ›Beweis‹, dass die Finanzwelt von Satansjüngern beherrscht wird.«
    »Damit wären wir wieder bei den satanischen Symbolen«, meinte Jane.
    »Das ist eine Interpretation.«
    »Und welche gibt es noch?«
    »Dies ist auch ein Symbol, das von der altehrwürdigen Bruderschaft der Freimaurer benutzt wird. In diesem Fall hat es eine ganz harmlose Bedeutung. Für sie symbolisiert es Erleuchtung und Erkenntnis.«
    »Die Suche nach Wissen«, ergänzte Edwina. »Es hat mit dem Erlernen der Geheimnisse ihres Handwerks zu tun.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass dieser Mord von einem Freimaurer begangen wurde?«, fragte Jane.
    »Um Himmels willen, nein!«, rief Oliver. »Das wollte ich da mit ganz bestimmt nicht andeuten. Die armen Freimaurer waren schon die Zielscheibe so vieler bösartiger Anschuldigungen, dass ich gar nicht erst anfangen will, sie aufzuzählen. Ich gebe Ihnen hier nur eine kurze Geschichtslektion. Das ist mein Gebiet, wie ich bereits sagte - die Interpretation von Symbolen. Ich versuche, Ihnen zu erklären, dass dieses Symbol, das Udjat-Auge, schon sehr alt ist. Es wurde im Laufe der Geschichte immer wieder für die verschiedensten Zwecke verwendet. Für manche Menschen war es etwas Heiliges, für andere wiederum etwas Schreckliches, ein Symbol des Bösen. Aber seine ursprüngliche Bedeutung, im alten Ägyp ten, war wesentlich weniger bedrohlich. Und eher praktischer Natur.«
    »Was hat es damals bedeutet?«
    »Es symbolisierte das Auge des Horus, des Sonnengotts. Horus wird in Abbildungen und Skulpturen meist als Mann mit einem Falkenkopf dargestellt. Auf Erden wurde Horus durch den Pharao verkörpert.«
    Jane seufzte. »Es könnte also ein satanisches Symbol sein, oder ein Symbol der Erleuchtung. Oder das Auge irgendeines ägyptischen Gottes mit einem Vogelkopf.«
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit.«
    »Ich dachte mir, dass Sie das sagen würden.«
    Oliver griff wieder zum Stift und zeichnete eine andere Variante des Auges. »Dieses Symbol«, erklärte er, »wurde in Ägypten ab etwa zwölfhundert vor Christus verwendet. Es findet sich in hieratischen Texten.«
    »Ist das immer noch das Horus-Auge?«, fragte Frost.
    »Ja, aber Sie werden bemerkt haben, dass es nun aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt ist. Die Iris ist durch diesen Kreis dargestellt, zwischen den zwei Teilen, die das Weiße des Auges repräsentieren. Dann haben wir da die Träne und die geringelte Wimper, wie Sie sie

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