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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Boden nicht so pingelig sein. Warten Sie, ich nehme Ihnen die Mäntel ab.«
    Während Jane ihre Jacke auszog, wurde ihr Blick unwillkürlich von der Decke angezogen, die sich über ihnen wölbte. Die freiliegenden Holzbalken erinnerten an einen mittelalterlichen Saal. Das runde Buntglasfenster, das sie schon von außen gesehen hatte, war eine leuchtende Scheibe in bun ten Bonbonfarben. Wohin sie auch schaute, an jeder Wand entdeckte sie neue Merkwürdigkeiten. Eine Nische mit einer hölzernen Madonna, verziert mit Blattgold und vielfarbigem Glas. Ein russisch-orthodoxes Triptychon, gemalt in Farben, die wie Edelsteine strahlten. Geschnitzte Tierstatuen, tibetische Gebetsfahnen und eine antike Kirchenbank aus Eichenholz. An einer Wand stand ein indianischer Totempfahl, der bis unter die zwei Stockwerke hohe Decke reichte.
    »Wow«, meinte Frost. »Sie wohnen ja wirklich interessant hier, Ma'am.«
    »Mein Mann war Anthropologe. Und Sammler, bis uns irgendwann der Platz für das ganze Zeug ausging.« Sie deutete auf den Adlerkopf, der grimmig von der Spitze des Totempfahls herabblickte. »Das da war sein Lieblingsstück. Es gibt noch mehr, aber der Rest ist eingelagert. Wahrscheinlich ist das alles ein Vermögen wert, aber mir ist auch das hässlichste Teil ans Herz gewachsen, und ich kann mich einfach von keinem einzigen Stück trennen.«
    »Und Ihr Mann ist …?«
    »Tot.« Die Antwort kam ohne Zögern. Eine unabänderli che Tatsache. »Er war um einiges älter als ich. Ich bin jetzt schon viele Jahre Witwe. Aber es waren gute fünfzehn Jahre, die wir zusammen hatten.« Sie hängte die Jacken ihrer Besucher auf, und Jane erhaschte einen Blick ins Innere des mit Krempel vollgestopften Wandschranks. Sie sah einen Spazier stock aus Ebenholz, mit einem Totenkopf als Knauf. Dieses scheußliche Ding hätte ich schon längst rausgeschmissen , dachte sie.
    Edwina schloss die Garderobentür und sah die beiden an. »Sie und Ihre Kollegen haben mit diesem Fall sicher alle Hände voll zu tun. Also haben wir uns gedacht, dass wir Ihnen die Arbeit etwas erleichtern sollten.«
    »Erleichtern?«, fragte Jane.
    Das schriller werdende Pfeifen eines Teekessels lenkte Edwinas Blick zum Flur. »Setzen wir uns doch in die Kü che«, sagte sie und ging voran. Ihre ausgetretenen Pantoffeln schlurften über die stumpfen Eichendielen des Flurs. »Anthony hat uns schon vorgewarnt und gesagt, Sie hätten sicher eine Menge Fragen. Deshalb haben wir Ihnen schon mal den kompletten Zeitablauf aufgeschrieben. Alles, woran wir uns von gestern Abend noch erinnern.«
    »Mr. Sansone hat mit Ihnen darüber gesprochen?«
    »Er rief letzte Nacht an, um mir zu berichten, was noch alles passiert war, nachdem ich gegangen war.«
    »Das ist sehr bedauerlich. Es wäre besser gewesen, wenn Sie nicht mit ihm darüber gesprochen hätten.«
    Edwina blieb im Flur stehen. »Wieso? Damit wir wie Blinde an die Sache herangehen können? Wenn wir der Polizei helfen wollen, müssen wir uns doch über die Fakten im Klaren sein.«
    »Ich hätte es vorgezogen, von jedem Zeugen eine unabhängige Aussage zu bekommen.«
    »Jedes Mitglied unserer Gruppe ist absolut unabhängig, glauben Sie mir. Wir vertreten alle unsere eigenen Ansichten. Anthony würde es nicht anders wollen. Das ist der Grund, weshalb wir so gut zusammenarbeiten.«
    Das Pfeifen des Kessels brach abrupt ab. Edwina blickte zur Küche. »Oh, er hat sich wohl schon darum geküm mert.«
    Er? Wer war denn noch im Haus?
    Edwina eilte in die Küche und sagte: »Moment, ich mache das schon.«
    »Schon gut, Winnie, ich habe den Tee bereits aufgegossen. Irish Breakfast, nicht wahr?«
    Der Mann saß in einem Rollstuhl und wandte den Besuchern den Rücken zu. Das war also der Besitzer des Kleinbusses in der Einfahrt. Er schwenkte seinen Rollstuhl herum, um sie zu begrüßen, und Jane sah einen strähnigen braunen Haarschopf und eine Brille mit dicker Schildpattfassung. Die grauen Augen, die ihren Blick auffingen, wirkten konzentriert und neugierig. Er sah jung genug aus, um Edwinas Sohn zu sein - höchstens Mitte zwanzig. Doch sein Akzent klang amerikanisch, und es gab keinerlei Familienähnlichkeit zwischen der kräftigen, rotwangigen Edwina und diesem bleichen jungen Mann.
    »Darf ich vorstellen?«, sagte Edwina. »Das sind Detective Frost und Detective Rizzoli. Und das ist Oliver Stark.«
    Jane sah den jungen Mann stirnrunzelnd an. »Sie waren einer der Dinnergäste gestern Abend. Bei Mr. Sansone.«
    »Ja.« Oliver

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