Blutmond der Templer
reagierte fast panikhaft, als er seine Brille abnahm und den Kopf so drehte, daß er in die Richtung des Mondes schauen konnte.
Suko sah das Gesicht seines Begleiters im Halbprofil. Die Augen waren nicht mehr vorhanden. Das geschmolzene Silber der Maske hatte sie weggeätzt.
Dennoch tat der Abbé so, als könnte er etwas sehen oder erkennen. Suko wagte nicht, etwas dagegen zu sagen. Der Abbé besaß Kräfte und Einblicke, über die er sich kein Urteil erlauben wollte. Jetzt hob der Templer die Arme und wischte über seine Augen. Wo einst die Pupillen gesessen hatten, wuchs nur mehr eine gclbweiße Haut, die etwas vorquoll. Es sah so aus, als würde er die Haut in die Höhlen hineinpressen. »Es muß etwas mit dem Mond geschehen sein«, wiederholte er. »Suko, kannst du es nicht sehen?«
»Nein, ich…« Der Chinese erstarrte plötzlich. »Doch«, flüsterte er, »da ist etwas.«
Auf der Wasserfläche malte sich ein blutroter Kreis ab, als würde sich das ungewöhnliche Licht eben nur auf diese eine Stelle konzentrieren und nicht mehr das gesamte Meer mit seinem Schein abdecken. Dabei malte es tatsächlich einen Kreis, der zwar ruhig blieb, sich trotzdem noch bewegte und einen Tanz auf den Wellen aufführte. Er zuckte, er schwang, kam auf und nieder, vergrößerte sich nicht und zog sich auch nicht zusammen.
Aber er wanderte…
Darin sah Suko eine große Gefahr. Der rote Kreis glitt wie eine Insel in der Schwärze des Meeres auf ihn zu. Ihr Boot war das Ziel dieses ungewöhnlichen Vorgangs.
Der Abbé setzte seine Brille wieder auf. Auch er spürte, was geschah.
»Es kommt näher«, sagte er mit rauher Stimme. »Es kommt näher. Ich kann es genau spüren…«
»Was ist es?«
»Die alte Kraft der Atlanter. Die böse Macht, die in den Strahlen des Blutmondes vereint wurde. Sie konzentriert sich darin, sie ist freigekommen, sie wird stärker und uns überrollen wollen…«
»Was können wir tun?«
»Wahrscheinlich nichts. Du kannst sie nicht greifen, du kannst sie nicht packen. Sie ist nicht fest, sie besitzt keinen Körper, einfach nur Geist und Energie. Und sie holt das aus dem Land und dem Meer hervor, was beide Elemente verborgen halten…«
Suko gefiel der letzte Satz überhaupt nicht. Er dachte an seine Waffen. Mit einer Silberkugel aus der Beretta konnte er nicht viel anfangen, ebensowenig wie mit der Dämonenpeitsche. Wenn er kein Ziel sah, konnte er nichts vernichten.
Der rote Kreis glitt näher. Er hatte seine Größe nicht verändert. Suko schätzte den Durchmesser auf zwei bis drei Yards. Manchmal sah er aus, als würde er auf den Kämmen der Wogen liegen, dann wiederum wirkte er so, als hätte er sich darunter versteckt.
»Was könnten John und Hector unternehmen?« fragte Suko.
»Sie haben den Würfel.« Der Abbé ballte die rechte Hand zur Faust.
»Ich hätte es wissen müssen. Ich habe es geahnt, aber ich vergaß, euch zu warnen. Sie werden Schicksal spielen. Die alte Rasse wird uns ebenso vernichten, wie sie meine Freunde und die Besatzung geholt haben. Wir werden es nicht überleben…« Seine Stimme war bei den letzten Worten ständig leiser geworden, dann verstummte sie völlig, und Suko vernahm nur noch das schwere Atmen des Mannes. Der rote Fleck tauchte ab. So plötzlich, daß selbst Suko überrascht war. Er kniete im Boot, beugte sich über die Reling, suchte nach ihm und atmete auf, als er ihn nicht mehr entdecken konnte.
»Er ist verschwunden!« meldete er. »Weg. Das Meer hat ihn aufgesaugt.«
»Nein, Suko, er ist nicht verschwunden.«
»Aber ich sehe ihn nicht mehr!«
»Trotzdem lauert und wartet er. Laß es dir von mir gesagt sein. Nicht alles, was man mit den eigenen Augen nicht entdecken kann, ist auch verschwunden.«
Suko wollte nicht widersprechen. Jedenfalls war er froh, daß ihn der rote Widerschein nicht mehr irritierte.
Er konzentrierte sich wieder auf das Schiff. Ruhig lag es auf den Wellen, wiegte sich, und an seiner Steuerbordseite schaukelten die Taue wie lange Arme.
Es war ruhig geworden. Niemand sprach mehr. Beide lauschten auf das Klatschen der Wellen.
Dann passierte es.
Innerhalb eines Augenblicks war das rote Licht wieder da. Der Kreis befand sich unter Wasser und gleichzeitig über dem Boot.
»Es ist wieder da!« rief Suko.
»Ich weiß…« Bloch holte tief Luft und rang seine Hände. »Suko, der Tod hat uns eingeholt!«
Das wollte Suko nicht glauben, bis er merkte, daß es der unheimlichen Kraft sogar gelang, die Natur zu manipulieren. Das
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