Blutmond der Templer
Wasser, das bisher so ruhig gewesen war, geriet in Bewegung.
Zuerst dachte Suko an ein normales Schaukeln, bis er feststellen mußte, daß sich ihr Boot drehte, weil sich unter dem Kiel ein gefährlicher Strudel gebildet hatte.
Ein Strudel aus Wasser und rotem Licht! Wobei das Wasser auch anders aussah als sonst. Es war heller, durchsichtiger und doch rötlich. Und mit Wesen, die aus der Tiefe des Meeres stiegen. Suko sah sie, während sich das Boot immer schneller um die eigene Achse drehte und Spritzwasser überschäumte.
Die Wesen aus der Tiefe — zunächst nur Schatten — stiegen schnell höher und wurden zu langen, bleichen Gestalten, wie Suko sie schon einmal gesehen hatte.
Skelette!
Damit rechnete er, wurde jedoch enttäuscht, als die ersten raketenartig aus dem Wasser stiegen und für einen kurzen Augenblick in der Luft schwebten.
Es waren keine Skelette, nur lange, gesichtslose Gestalten, denn wo sich die Gesichter eigentlich hätten befinden müssen, schaute Suko bei ihnen nur gegen eine teigige Masse ohne irgendwelche Sinnesorgane. Arme und Beine besaßen sie. Allerdings waren sie wesentlich länger als bei einem Menschen. Aus ihren Fäusten ragte etwas hervor, was dem Chinesen Furcht einflößte.
Lange Messer!
Klingen aus Stein, höllisch scharf und spitz. Suko dachte an die Verletzungen des toten Matrosen. Jetzt wußte er auch, woher sie stammten. Nicht von den Waffen irgendwelcher Templer, sondern von den scharfen Opfermessern der alten Atlanter.
Suko drehte sich, so gut es möglich war. Erzählte vier dieser Gestalten, die das Boot eingekreist hatten. »Duck dich!« schrie er dem Abbé zu, als die Wesen wieder eintauchten.
Bloch preßte sich flach gegen die Planken. Gerade noch rechtzeitig. Wahrend sich das Rettungsboot immer schneller um die eigene Achse drehte, erschiener, sie wieder.
Sie schnellten hoch wie Delphine im Becken, um nach der Beute zu schnappen.
Nur besaßen Delphine keine Messer, und sie wollten auch keine menschliche Beute.
Die hier schon.
Brutal stießen sie zu. Von allen vier Seiten gleichzeitig jagten die Steinmesser Suko entgegen. Die Arme der Bestien schienen aus Gummi zu bestehen, so lang waren sie plötzlich geworden. Suko blieb nur noch die Chance, sich ganz flach hinzulegen und so schnell wie möglich zu handeln.
Ein Messer erwischte ihn trotzdem. Wie eine scharfe Rasierklinge zerschnitt es die Kleidung an seiner rechten Schulter und hinterließ auch einen Riß in der Haut.
Der Schmerz war beißend, aber Suko gab so leicht nicht auf. Im Liegen zog er die Beretta. Wenn sie abermals erschienen, wollte er es mit geweihten Silberkugeln wenigstens versuchen.
Es kam anders.
Das Boot drehte sich zwar weiterhin im Kreis, gleichzeitig jedoch wurde es unterhalb des Kiels von einer fremden Kraft erfaßt und angehoben. Dann kippte es…
***
Hector de Valois und ich standen an der Reling und starrten in die Tiefe. Aus dem roten Kreis waren sie erschienen wie mordende Phantome. Sie jagten aus dem Wasser, in den Händen hielten sie lange Gegenstände, die ihre Opfermesser waren.
Den ersten Angriff überstanden Suko und der Abbé. Ich war sicher, daß sie einen zweiten kaum noch abwehren konnten. Bloch lag auf den Planken. Es war das Beste, was er hatte tun können, während Suko sich um die Verteidigung kümmerte.
Um Suko und dem Abbé beistehen zu können, hätte ich schon Flügel haben müssen.
Es ging um Sekunden, das wußte auch Hector de Valois. Bevor ich noch handeln konnte, hatte er bereits reagiert. Mit einem gewaltigen Sprung erreichte er das Schanzkleid, blieb nicht einmal für die Länge eines Herzschlages dort stehen, stieß sich dann ab und jagte wie ein langgestreckter silberner Pfeil im Halbbogen der Wasserfläche entgegen.
Er hatte den einzigen Weg genommen, den es für uns gab. Auch ich bewegte mich jetzt, obwohl es mir persönlich vorkam, als würde ich im Zeitlupentempo laufen. Rasch enterte ich das Schanzkleid und sah das Skelett im Wasser wie einen schimmernden Fisch auf das Boot zuhuschen.
Sollte ich auch springen? Ich stieß mich ab, ohne lange zu überlegen. Die Arme hielt ich ausgestreckt. Die Haltung wäre vorbildlich gewesen, hätte sich zwischen meinen Händen nicht der Würfel befunden, gegen den ich die Handflächen preßte.
Dann tauchte ich ein.
Kalt kam mir das Wasser vor. Wie Leim, der mich umschlang und nicht mehr loslassen wollte.
Unter Wasser bewegte ich mich durch die Beine, drehte mich dabei der Oberfläche zu und tauchte
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