Blutmond der Templer
hin, und diese Durchgänge bekamen an beiden Seiten Halt von nach oben hin bogenförmig auslaufenden Säulen. Auch in den Wänden entdeckten wir große Löcher. Manche waren kreisrund, andere wiederum oval, auch mal rechteckig. Es war der Beginn eines regelrechten Labyrinths. So wie ich, dachte auch Suko. »Hier kann man sich verlaufen«, bemerkte er und leuchtete durch eines der Wandlöcher.
Er hatte für einen Moment nicht auf den Killer geachtet. Dragut nahm seine Chance wahr.
Als mein Warnschrei erklang, befand ersieh schon in Bewegung. Geschmeidig und kraftvoll hatte er sich abgestoßen, hechtete halbhoch über den Boden und genau durch eines dieser Löcher in der Wand. Mit einem Schuß hätten wir seine Flucht möglicherweise stoppen können, nur war es nicht unsere Art, einen Menschen in den Rücken zu schießen.
Suko jagte ihm nach. Er hatte die Lampe eingeschaltet. Den Widerschein des Lichts sahen wir noch einige Male aufzucken, bis auch er verschwunden war.
Danach hörten wir nicht einmal die Schritte der beiden Männer.
»Er ist weg, nicht?« flüsterte der Abbé, der sehr genau zugehört hatte.
»Ja.«
»Das ist schlecht. Er hätte bei uns bleiben sollen.«
Der Meinung war ich auch, behielt sie aber für mich. Ich ging dorthin, wo Suko verschwunden war, und rief nach ihm.
Meine Stimme bekam einen ungewöhnlichen Klang. Sie hallte durch das Labyrinth, wurde zu einem Echo, das sich mehrmals brach, bevor es sich verlief.
Ich bekam eine Gänsehaut, als ich daran dachte, wie groß diese Totenanlage sein konnte.
Der Abbé rief mich. »John, komm her. Ich… ich spüre etwas. Der Würfel hat sich verändert, er will mich warnen.«
Ich schaute mich um. »Sorry, aber ich sehe nichts.«
»Doch, John, doch!« Er drängte jetzt. »Auch Hector müßte es spüren. Seht nach, bitte.«
Ich brauchte nicht lange zu suchen. Einer Eingebung folgend, schaute ich in die Höhe.
Da sah ich es.
Über der Öffnung stand — in einem schaurigen Rot leuchtend — der Blutmond der Templer…
***
Der Blutmond mitten am Nachmittag!
Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Zu fassen war es nicht, es hatte auch keinen Sinn, über die Gründe nachzugrübeln, ich mußte sie einfach akzeptieren, und ich mußte mir auch über die Folgen im klaren sein.
Der Kreis stand so, daß ich den Eindruck bekam, er würde genau auf die Öffnung zielen. Nur sie war für ihn interessant, und sie füllte er auch mit seinem ungewöhnlichen Schein aus.
Mir brach der Schweiß aus. Es lag nicht allein an der Hitze, es war etwas anderes, das mich so mitnahm. Für mein Gefühl hatte sich in der Umgebung einiges verändert.
Mein Blick tastete den Abbé ab und auch das silberne Skelett des Hector de Valois.
Der Abbé hatte mich gewarnt. Er mußte auch gesprüt haben, was auf uns zukam. Den Würfel hielt er zwischen seinen Handflächen. Auch er wurde vom Schein getroffen.
Hatte er sich nicht verändert? Äußerlich nicht, seine Farbe jedoch schien noch kräftiger und intensiver geworden zu sein. Sie hatte sich mit dem roten Schein vermischt. Selbst die kleinen Schlieren, die Informationsträger, gingen darin unter. Wenn ich meine Gefühle hätte beschreiben müssen, so kam ich mir vor, als würde ich in einem Zuchthaus stehen, umgeben von dicken, einbruchsicheren schalldichten Mauern.
Das gesamte Geschehen konzentrierte sich auf diese uralte, endsteinzeitliche Grabanlage eines geheimnisvollen Volkes. Ich sprach den Abbé an. Er besaß den Würfel, wahrscheinlich erfuhr er durch ihn mehr. »Was ist los? Merkst du, welche…?«
»Sei ruhig, John, sie sind da.«
»Wer?«
»Ich spüre ihre Anwesenheit, John. Du selbst wirst die Geistwesen nicht sehen können, noch befinden sie sich in einer anderen Welt, aber die Grenzen werden allmählich fließend. Merkst du nichts? Sie senden bereits einen Teil ihrer gefährlichen Kraft aus.«
Ich mußte Luft holen, um überhaupt sprechen zu können. »Was genau kannst du sagen?«
Bloch gab die Antwort flüsternd. »Sie wollen Einfluß auf uns nehmen. Ich setze ihnen eine Sperre entgegen, bei dir wird es schwer werden.« Der Blinde redete jetzt schneller, und er fügte noch etwas hinzu, das mich erschreckte. »Salazar, Himmel, seine Chancen sinken. Sie sind über ihm, das erkenne ich sehr deutlich.«
Ich drehte den Kopf zu Salazar hin, weil ich wissen wollte, ob es auch stimmte.
Bloch hatte sich nicht getäuscht. Sie waren tatsächlich da, und sie griffen den Bewußtlosen an. Er war das
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