Blutmond der Templer
zukommen, um ihn mit ihrem Gewicht zu erdrücken.
Wie schleichendes Getier kroch die Furcht heran. Es gab keinen neuen, ersichtlichen Grund dafür. Dem Inspektor wurde nur klar, daß irgendwo innerhalb der Grabstätten eine Veränderung vor sich gegangen sein mußte. Altes Grauen stieg aus dem Gemäuer.
Es war überall. Es besaß lange, gleitende Arme, die Suko umfassen wollten. Er fühlte sich nicht nur unwohl, die Furcht verstärkte sich, und über seinen Rücken rannen kalte Schauer.
Noch tat er nichts. Er blieb stehen und wartete ab. Schweiß lag auf seinen Handflächen. Er hatte sich auch auf dem Gesicht verteilt, und die Kleidung klebte am Körper.
Suko hörte sich schwer atmen. Die Luft war nicht mehr wie sonst. Zwar noch immer verbraucht, aber es hatte sich etwas anderes hineingemischt. Was es war, konnte Suko nicht ermitteln. Eine andere Kraft, die aus den Mauern gekrochen war, eine Botschaft aus der Tiefe der Vergangenheit.
Der Inspektor bewegte seine rechte Hand und strich über die Stirn. Selbst diese kleine Geste bereitete ihm Mühe. Der Druck hielt einfach an, er preßte ihn zusammen.
Was war es nur?
Dann hörte er das Lachen. Es war kein normales Gelächter, auch nicht freundlich oder fröhlich. Es hörte sich bitter, grausam und triumphierend an. Dabei schallte es nicht einmal. Es glich mehr einem bösen scharfen Flüstern und war gerade deswegen schlimm genug.
Hier lauerte jemand, der sich darauf eingestellt hatte, den Kampf zu gewinnen. »He, Chinese!«
Suko erschrak nicht einmal, als er die Stimme des Killers vernahm. Er hatte damit gerechnet. »Melde dich!«
Suko blieb still. Er bewegte nur eine Hand und zog die Beretta. Wenn Dragut erschien und sich bewaffnet hatte, würde er ihm einen würdigen Empfang bereiten.
Selbst die letzte Bewegung fiel dem Inspektor schwer. Allmählich kam er zu dem Ergebnis, daß die nicht sichtbare Macht ihm seine Kräfte raubte. Er verlor sie, er war längst nicht mehr so fit wie noch vor einer halben Stunde.
Das spürte auch sein Gegner. Und er machte sich darüber noch lustig. Wo er in der tiefen Finsternis steckte, konnte Suko nicht herausfinden. Er hörte nur die Stimme des Mörders.
»Das Grab wartet auf dich, Chinese. Du hast dir zuviel vorgenommen. Als einfacher Mensch kann man nicht gegen die Kräfte des alten Kontinents ankommen. Ich freue mich schon, dich als Opfer für den Blutmond zu sehen.«
»Komm her und zeig dich!«
Der Killer lachte. »Weshalb soll ich mich zeigen? Du wirst mich gleich schon sehen können. Nur bestimme ich den Zeitpunkt. Zuvor möchte ich mich mit dir noch unterhalten. Hast du nicht gespürt, daß sich in deiner Umgebung etwas verändert hat?«
»Wie soll ich das verstehen?« Suko wollte es auf keinen Fall zugeben, dies aber merkte Dragut.
»Ich kann verstehen, daß du dir keine Blöße geben willst. Du mußt aber gemerkt haben, daß es dir nicht mehr so gut geht. Es gibt keine andere Erklärung. Ich will dir auch sagen, was passiert ist, damit du nicht unaufgeklärt stirbst. Würdest du sehen können, dann könntest du auch den Blutmond erkennen, der bereits jetzt am Himmel steht und seinen Schein in dieses Grab schickt. Du kannst ihn nicht sehen, aber du spürst seine Kraft, das weiß ich. Sie läßt sich durch nichts aufhalten. Die Strahlen sickern in das Gestein und durchdringen es, so daß die Tiefe ebenfalls ausgefüllt wird. Ihr wolltest das Rätsel des Blutmondes lösen, nun wird euch der Mond vernichten…«
»Noch lebe ich, Dragut!«
»Ja«, lachte der Killer, »das stimmt. Noch lebst du. Aber was ist das für ein Leben? Du merkst doch, wie dir die Kraft genommen wird. Der Blutmond spielt mit dir. Er schafft es, aus dir einen anderen zu machen, und auch deine Freunde werden erwischt…«
Dragut sprach noch weiter, nur hörte Suko nicht mehr zu, denn er bekam die Wirkung jetzt voll mit.
Als würde Schweiß aus seinen Poren rinnen, so verließ die Kraft seinen Körper. Der Widerstandswille schwächte sich von Sekunde zu Sekunde ab. Suko überkam ein Gefühl der Apathie und der Leere. Hinzu kam das Verlassensein, die Trauer. Er sah plötzlich andere Dinge und Bilder. Schreckliche Szenen spielten sich ab.
Dragut hatte vorhin von seinen Begleitern und Freunden gesprochen. Sie bildeten den Mittelpunkt dieser Szenen. Noch war alles nebelhaft verschwommen, doch Suko konnte trotzdem erkennen, wie seine Begleiter unter den zielsicher geführten Hieben der steinernen Opfermesser zusammenbrachen. Ersah die bleichen
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